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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 3
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Giefel, Joseph Anton: Geschichte des katholischen Gottesdienstes in Ludwigsburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0031
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Unterm 27. Sept. 1720 aber schenkte
ber Herzog dem Baumeister Frisoni
3U Alorgen Platz zur Erbauung eines
zweistöckigen Hauses. Auf diesem Platze
Gchorudorferstraße zwischen dem Eckhaus
(hintere Schloßstraste) und Geh. Nat von
Schütz Hause (kleiner Withildeiihof) sin-
gen die Katholiken im Jahr (724 teils
ans eigene Kosten, teils ans mildtätiger
Beisteuer anderer Katholiken an, ein
eigenes Hans — 100 Schuh lang und
etliche 40 Schuh breit — mit einem großen
Saal und langen wie i» den Kirchen
gebräuchlichen Fenstern nebst einigen An-
bauten in möglichster Schnelle anfzubanen.
Bei der Grundsteinlegung des kirchen-
artigen Gebäudes, das in dem uon Eber-
hard Ludwig unterschriebenen Stadtriß
verzeichnet ist, war viel Geistlichkeit an-
wesend. Die drei Hammerschläge voll-
zogen Anna Katharina, Frisonis Frau,
Anna Barbara, RettiS Frau, die Frau
des BiarmorsteinmetzenmeisterS Joh. Mat-
thei aus München. Die Einweihung
vollzog 1725 Joh. Jakob Ciojn de Ma-
lesco, Propst zu Fino bei Conto. Das
Haus wurde bekannt unter dem Namen
„Frisonisches Gartenhaus" und diente den
Lndwigsburger Katholiken, obwohl der
Herzog schon am 20. Nov. dem Bau-
direktor Frisoni untersagte, dasselbe einem
beständigen Gottesdienste zu widmen, bei-
nahe 50 Jahre zu ihrem Gottesdienste.
Gegen Morgen stunden in dem Gebäude
in einer Reihe drei Altäre, oben und
seitwärts eine Kanzel, kleine Orgel, mobile
.Kirchenstühle, eine Emporkirche, in den
vier Ecken Anbauten des Hauses und
unten und oben Zimmer zu Sakristeien s
und Wohnungen. In einem neben dem
„Gartenhaus" errichteten Bau wohnten
der Geistliche und Mesner. Ersterer hatte
um das Jahr 1723 angefangen, eine.
eigene Schule für die katholischen Kinder
zu halten. DaS Frisonifche Gartenhaus
bildete von nun an den Gegenstand des
hitzigsten Kampfes zwischen den hiesigen j
Katholiken und dem damals noch ganz
evangelischen Lande. Das RegiernugS-
kolleginm machte 1725 den Vorschlag,
man möge den Katholiken den cultus
religionis mit Messelesen und Predigen
ambulatorie in aedibus privatis mit
gänzlicher Ausschließung aller Fremden !

gestatten, h Dabei würde aber die Stadt
eine unangenehme Aufgabe erhalten. Sie
müßte, um beit Vorschlag ins Werk setzen
zu können, eine Wache vor dasjenige
Hans hinstellen, worin gerade der katho-
lische Gottesdienst gehalten wurde. Sol-
ches dürfte aber die Erbitterung zwischen
beiden Religionsverwandten noch steigern.
Außerdem wollten die hiesigen evangeli-
schen Bürger, die nun einmal unter den
Katholiken wohnen und mit ihnen arbei-
ten müßten, zu solchem Wachtdienst sich
nicht gerne gebrauchen lassen. Kein Or-
densgeistlicher sollte hier mehr geduldet,
sondern ein Petriner oder weltlicher Geist-
licher zu Versehung des Gottesdienstes
bestellt werden. Außerhalb des Messe-
lesenS und Predigen-; dürfte ein solcher
zit Hause und in der Stadt nur in poli-
tischen Kleidern gehen und in einem bür-
gerlichen Hanse wohnen und allda die
Kost genießen, da daun dessen Hauswirt
als ein hiesiger Bürger angehalten werben
könnte, darüber zu wachen, daß dieser
Meßpriester nichts als was ihm erlaubt
war, richte. Der Geistliche sollte von
den hiesigen katholischen Vorstehern er-
nannt iverden, da, wann solches der Her-
zog tun würde, er damit gleichsam die
abgöttische Messe gntheißen würde. Daß
der Herzog im Hinblicke auf die Toleranz-
reskripte von 1715 und 1724 ans solche
Ideen nicht eiugehen konnte, liegt auf der
Hand. Dazit kam noch ein weiterer Um-
stand. Oberbaudirektor Frisoni und Ober-
landbattmeister Retti hatten Lndwigsbnr-
ger Stadtpläne in Händen, die der Herzog
unterschrieben hatte und in welche, wie
schon oben gesagt, eine katholische Kirche
eingezeichnet war. Zwar hatte Eberhard
Ludwig den Legationsrat Jacgnin beauf-
tragt, „den alten und neuen Riß zurück-
znfordern". In den Akten ist nirgends
die Rede davon, daß die Baumeister die
Risse aus den Händen gegeben hätten.
Einigermaßen aber mußte der Herzog doch
dem Drängen der Protestanten entgegen-
kommen. Er resolvierte daher am 29. Mai
und 4. Juni 1726, daß bis zu Ausgang
des Rettischen Aceords die Katholiken

’) Wahrend deS Baus des Frisonlschen Garten -
Hauses war den Katholiken im Sommer 1725,
wieder die Orangerie zum Gottesdienste cingc-
rnumt worden.
 
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