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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 3
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Der neue protestantische Dom in Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0035

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zum regelmäßigen CSJottec-bicnft beflimmte
Bainverk handelt, ein regelrechter Zentral-
bau und entspricht in dieser allgemeinen
Form auch den protestantischen Ansorde-
rnngen an eine „Predigtkirche". Da-
neben hat er einen Altarranm, nicht in
einem eigentlichen uub regelrechten Chor,
sondern in einer der vier Hauptnischen;
der Altar bat die alte Form der Mensa
mit Kruzifix und mächtigen Leuchtern;
hinter ihm leuchtet gleichsam als Altar-
bild die schöne Krenzignngsgrnppe deS
mächtigen Mittelfensters dieser Chornische
hernieder. Der Platz der Kanzel ist noch
nicht definitiv bestimmt; man will Proben
machen; vom Architekten ist er auf die
rechte Seile des Chores geplant gewesen.
Die Domgemeinde hat ihren Platz im
Fonds des ganzen Domes, in den Kircken-
stnhlcn sowie ans den Emporen mit Aus-
nahme der Kaiserempore. Das ganze
Innere der gewaltigen krenzeSförmigen
Halle ist im Geschmack der späten Re-
naissance mit zahlreichen Anklängen an
das Barock — aber auch an moderne Kunst
fast überreich ausgestaltet, llnd doch ist
es keine Renaissaneekirchc im katholischen
Sinne, wie so vielfach behauptet wurde,
vor allem kein Petersdoin, auch nicht im
kleinen, eher ein Pantheon im Gewände
der Spätrenaissance. Wohl fehlt cs nicht
an religiösen Bildern uub Emblemen in
den gemalten Fenstern uub in den Knppel-
feldern, wohl mutet der Altarranm eher
katholisierend als protestantisch an durch
das Glasfenster-Altarbild, wohl schonen
von der Höhe des Hanptgesimses und der
Pfeilerkapitäle riesige Engelfignren her-
nieder und von allen Knppclgurten das
Kreuz; wohl hat so auch das Innere der
herrlichen Kuppel nürklich religiöses, kirch-
liches Gepräge; aber das klebrige, vor
allem die drei großen und die vier klei-
neren Rischen mit den Emporen, prunk-
vollen Balustraden, mächtigen Massen-
kandelaberu ec.: all' das hat mehr den
Charakter einer gewaltigen Fejt- und
Nnhmeshalle, die Einporen speziell sind
eben mächtige Logen, und die vier Re-
formationsfürsten in der historischen Tracht
ihrer Zeit, mit Rüstung und Schwert,
Philipp von Hessen die Faust keck in die
Seite gestemmt, sehen auch nicht eben ans
wie religiöse Vorbilder. Die Lntherstatne

ist unter denen der vier Reformatoren-
bilder insofern noch hervorznheben, als sie
— ine Gegensatz zu dem förmlich pöbelhaften
rohen Kopf Luthers in der Lntherkirche
zu Speier — auffallend (und setzen wir
bei unhistorisch) weiche und milde Züge
trägt. Auch das Orgelwerk (mit 6724
Pfeifen — fast genau so viele ivie die
Weingartener Orgel) vermag an diesem
Eindruck nicht viel zu ändern; hat doch
jede große moderne Konzerthalle auch ihre
Orgel. Das; die prachtvollen Treppen-
häuser, vor allem das für die Kaiser-
einpore, diesen Eindruck noch vermehren,
liegt auf der Hand. Zn einer großen,
sagen wir religiös-monarchischen Mani-
festation, zur gebührenden Repräsentation
des Kaisers als des Oberhauptes ' der
preußischen, protestantischen Landeskirche
ist dieser geivaltige, hochfestlich ansgestattete
und mit Pracht fast überladene Raum
ganz vorzüglich geeignet; aber eine Ki r ch e
im wirklichen Sinne ist der Berliner Doin
nicht. Ist ein rein dnrchgeführter Zentral-
bail schon an sich mehr angetan, Reini-
niszenzen an klassisch-heidnische Tempel-
ideale zu wecken, weshalb so angelegte
Kirchen auch förmliche Ausnahmen (vergl.
Maria di Carignano in Genna. Lnca et
Martina uub S. Agnese ans Piazza Ra-
vona in Rom, S. Maria della Salute
in Venedig) und auch für den Kult nicht
ausreichend zweckdienlich find, so fehlt
naturgemäß in einer so angelegten pro-
testantischen Kirche so vieles, was selbst
z. B. das nrheidnische Pantheon-Innere
doch christlich anmntend erscheinen läßt,
nämlich die Altäre mit den Bildern und
denn Kruzifix in der Mitte u. s. w. u. s. iv.
Aber regelmäßig sind die Kirchen trotz
mächtiger Kuppeln nicht zentral dnrch-
geführt, sondern sie haben ein Langhaus,
wofür St. Peter ja das klassische Bei-
spiel ist, und die Kuppel hat dann die Auf-
gabe, von der Vierung aus, wo sie steht, zu-
nächst zur besonderen Betonung, Beleuchtung
und Vermittlung des Hanptteils, des
Chores mit dem Hochaltar und der
nächstbedcntendsten Altäre des Querschisfes
zu dienen; sie steht also gewissermaßen
im Dienste des Kultus, während das
Langschifs der Gemeinde dient. Oder aber
i hat die Kuppel direkt den höchsten Zweck
! zu erfüllen, den Hanptaltar des Domes
 
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