Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Der neue protestantische Dom in Berlin, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0037
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dom-Innere mir etwa 2400 Quadrat-
meter, also bloß ein starkes Drittel, lieber
1600 Quadratmeter kommen allein ans
die riesige Vorhalle, der Nest ans die
beiden Anbauten, auf die Osttürme und
die um das Dom-Innere sich gruppie-
renden Eckzwickel.

Daß der Grundriß einzigartig ist, das
ist auch schon angegeben: einzigartig in
der Art, wie die vier ganz verschiedenen
Vanteile, der Dom selbst, die Gedächtnis-
halle, die Tauf- und Traunngskirche und
die Vorhalle mit dem Aufwand alles
Scharfsinns zusammenkombiniert wurden,
so daß jedes für sich ein Meisterwerk ist,
aber gleichwohl die organische Einheit
absolut dem Plane fehlt. Das Kühnste
und Eigenartigste ist dabei die große Vor-
halle mit den Türmen an beiden Ende».
Sie deckt mit ihrem imposanten, breit-
spurigen Niesenleib die Einheitslosigkeit
des eigentlichen Dombanwerkes, und sie
gibt den Eindruck, daß der Dom riet,
größer sei, als er ist, und doch hat sie
selbst weiter gar keinen praktischen Zweck,
als eben den, Vorhalle und glänzende
Kulisse und Folie für die Kuppel zu
sein. Trotz alledem muß man sagen:
der Architekt, Geh. Rat Raschdorff,
hat geleistet, was menschenmöglich war,
angesichts des gegebenen und genau ab-
gegrenzten Bauplatzes, angesichts der
Mittel, angesichts des Hauptprogramm-
punktes, den Dom als Zentralbau zu er-
stellen, angesichts der vorgeschriebenen An-
bauten und angesichts der Erwartung der
ganzen Qesfentlichkeit, daß der neue Dom
sich trotz alledem als ein möglichst impo-
nierendes, geschlossenes Ganzes präsentiere;
die Auszeichnungen und Ehren, welche er
dafür empfing, sind wohlverdient gewesen.

Wir können uns nun nicht versagen,
noch in einigen Sätzen darauf znrückzu-
kommen, wie man ans der nächstbeteiligten
protestantischen Seite den Berliner Dom
beurteilt. Wir sehen hiebei ab von den
a limine in laudem desselben in einer
Reihe von Tagesblättern und Zeitschriften,
besonders illustrierten, geschriebenenArtikeln,
deren Tendenz ja recht durchsichtig ist. Ueber-
schanen wir aber die Gesamtstimmnng ans
protestantischer Seite, besonders außerhalb
Berlins, so sehen wir wenig, sehr wenig
Befriedigung, dagegen sehr kühle, frostige

Urteile, die bis zum PessiiniSmns sich
verlieren. Der protestantische Pastor
Fr. Naumann vergleicht boshaft in
seiner „Hilfe" den Dom mit dem „Tempel
des Herodes": „viel Marmor und Gold,
aber keine Frömmigkeit", und kommt zu
dem Endurteil: „Das ist keine pro-

testantische Kirche, fand e r nein e k a t h o -
lische; dnS ist kein deutsches Gotteshaus
sist denn aber „evangelisch" gleichbedeutend
mit „deutsch" ?], sondern ein romanisches.
Sollten einmal .... die Hohenzolleru
zum Katholizismus übertreten, so würden
sic an dieser Hofkirche wenig verändern
müssen." Und der orthodor-protestantische
' „Alte Glaube" urteilt, der Dom sei weder
I eine „Tat der deutschen Kunst, noch des
evangelischen Glaubens". „Deutsche Pro-
testanten werden sich niemals in ihm
heimisch finden. ... In Wahrheit muß
diese Schöpfung Berliner Hofkunst dem
protestantischen Bewußtsein ebenso ferne
bleiben, wie die meisten Fürstengestalten
der Hohenzollernallee dem deutschen Volke".
Wohin diese mehr als scharfen, bitteren
Worte eigentlich zielen, das liegt auf
der Hand. In der „Täglichen Rundschau"
aber schilt und wettert ein „W. Pastor"
erst recht fürchterlich. „Der Dom sollte die
Kirche aller Kirchen sein, sie sollte dienen dem
Christentum in der reinsten Uebersetzung,
die ein Lossagen von Rom ist," so beginnt
es, und dann kommt die Klage, die An-
schnldignng, die zornerfüllte Konstatierung:
„und dieser Dom ist gebaut im Stil
d e r G e g e n r e s o r m a t i o n!" „Das kann
nicht oft genug gesagt werden." Dann
kommen die Tiraden: „Die Messe zu
zelebrieren, Weihrauch zu schwingen (? !),
die Sinne zu betäuben h! ! !) : es kann
keine bessere Gelegenheit geschaffen wer-
den". . . . Pastor „bedauert" den Geist-
lichen, der hier predigen soll, er bedauert
die Gemeinde, er konstatiert, daß „die
deutsche Sprache allein schon ein Protest
ist gegen diese Hallen und Gewölbe", s!!!)
„Erbarmungsloszerstückelt" ist das Innere
von einem wimmelnden Durcheinander,
„eine Enzyklopädie der romanischen (sic!)
Baukunst, das stilistisch Unmögliche hat
sich hier ereignet, die Bauglieder sind höchst
unglücklich, hier zu mächtig, dort zu
schmächtig". . . . lind so weiter und so
iveiter. Das punctum saliens aber ist
 
Annotationen