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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 3
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Der neue protestantische Dom in Berlin, [2]
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Groner, Anton: Ueber die Historienzyklen der Sixtinischen Kapelle, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0038

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für bcn hochentrüsteten Referenten der
„Täglichen Rundschau", deren Redakteur
bekanntlich Herr Graf Hoensbroech ist,
die Tatsache, daß der protestantische Ber-
liner Dom — sage und schreibe es mit
Schaudern! — im Stil der Gegen-
reformation gebaut ist! Ueber diesen
Witz der Welt- bezw. Kunstgeschichte ist
das Organ der „Los von Rom"-Be-
megnng geradezu außer sich. Es ist auch
begreiflich. . . . Indessen behalten klügere
Leute solche Dinge mehr für sich und
machen sich nicht lächerlich durch Argumente
des Zornes, der tendenziösen negativen
Kritik in nnverhülltester Form.

(Schluß folgt.)

Ueber die thistorienzpklen der Six-
tinischen Kapelle.

Aon Dr. A. ©tonet in Freiburg l. Br.

(Fortsetzung.)

Die Idee des Bilderkreises.

Der Sixtinische Wandfreskenzyklns ist
in der Auswahl intb Anordnung der
biblischen Begebenheiten einzigartig. Die
chronologische Aufeinanderfolge ist wieder-
holt durchbrochen, ein Bild behandelt ein
einziges Ereignis, ein zweites deren eine
ganze Reihe, die oft zeitlich weit ausein-
ander liegen oder sachlich nichts gemein
zu haben scheinen; während einige in der
Kunst sonst beliebte Gegenstücke, wie die
Speisung Israels mit Manna und die
wunderbare Brotvermehrnng auffallender-
weise ganz fehlen, finden wir Scenen,
die hier das erste oder gar das einzige-
mal in der Kunst begegnen, ja die Urheber
des Zyklus tragen kein Bedenken, bei der
Behandlung eines Ereignisses ganz nach
Bedarf Züge ans den biblischen Parallel-
berichten zu vermengen, den Bibeltext zu
korrigieren, einzelne Scenen nach eigener
Erfindung in die Erzählung einzufügen
und sich wiederholt in Widerspruch mit
der .Hl. Schrift zu setzen. Derlei Eigen-
tümlichkeiten beweisen sonnenklar, daß es
den Künstlern und ihren theologischen
Beratern gar nicht um den Nachweis
der Konkordanz im Leben Mosis und Jesu
zu tun war, sondern daß sie durch die
lypologische Gegenüberstellung des Moses-
nnd des Messiaslebens eine ganz bestimmte
Idee zum Ausdruck bringen wollten. Und

' wenn wir uns erinnern, daß der Bilder-
kreis die päpstliche Palastkapelle schmückt,
so liegt ans der Hand, daß diese Idee
auf das Papsttum abzielt. Ein Problem
kann' im Ernste erst bei der Frage be-
ginnen : in welcher Weise ist in dem
Bilderkreis die offenbar auf das Papsttum
abzielende Idee durchgeführt?

Bei Behandlung dieser Frage können
zwei Wege eingeschlagen werden, der vom
Teil zum Ganzen und der vom Ganzen
zum Teil fortschreitende. Der elftere
wurde bisher begangen. Man legte ein
möglichst großes Maß theologischen Lehr-
gehalts in jedes Fresko hinein und ad-
dierte schließlich die einzelnen Posten.
Hofrat Pastor, der im zweiten Band seiner
Papstgeschichte (3. und 4. An fl., 1904,
S. 706 ff.) diese Methode am konsequen-
testen durchgeführt hat, kam zu dein
Ergebnis, daß der Zyklus das höchste
Priestertum, das höchste Lehramt, die
höchste Regiernngsgewalt des Papstes lehre.
Der priesterlichen Tätigkeit seien als der
wichtigsten drei Fresken gewidmet, nämlich
zwei dem sakramentalen Sündennachlaß
in der Taufe (Taufe Christi und Be-
schneidung des Mosesknaben) und im
Bußsakrament (Reinignngsopfer des Aus-
sätzigen), eines der encharistischen Bereini-
gung mit Christus (Abenduiahl, vorgebildet
im Testament Mosis). Im Durchgang
durchs Rote Meer, dem althergebrachten
Typus der Taufe und der Buße zugleich,
sei noch einmal die Aufgabe der Apostel,
die Gläubigen für das Reich Gottes zu
erretten, zusammcngefaßt. So erkläre sich
auch das Gegenstück, die Berufung der
ersten Jünger am See Genesareth. Wie
Moses als Erretter des anserwählten
Volkes beim Durchzug durch das Rote
Meer erscheine, so sollen die Apostel das
Wort Christi, die Erlösung und Entsühnung
der Welt in seinem Auftrag vermitteln,
Menschenfischer werden und die Anser-
wühlten vor dem Untergang im Roten
Meere erretten. Das oberste Lehramt
der Kirche sei durch die Bergpredigt und
die Gesetzgebung auf Sinai, die Regiernngs-
gewalt durch die Schlüsselübergabe mit
' ihrem Gegenbild zum Ausdruck gebracht.

Daneben ziehe sich ein zweiter Grund-
■ gebaute her, die Lehre von der Rotwendig-
i teil einer rechtmäßigen Berufung, Sendung
 
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