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Die beiden Darstellungen des Vorder-
grundes sind — nicht zufällig — so an-
geordnet, daß der Bergpredigt die erste,
der Heilung des Aussätzigen die zweite
Ankunft Mosis mit den Gesetzestafeln
symmetrisch gegenüberliegt. Nicht zu de»,
mächtigen Aegyptervolk oder zu einer
anderen Großmacht sendet Gott seinen
Propheten mit seiner Offenbarung und
dein Gesetz, sondern zu dem kleinen,
schwachen und wankelmütigen Völkchen,
um durch seine Anserivählung znm Gottes-
volk und seine Führung die göttliche All-
macht um so deutlicher in die Mensch-
heitsgeschichte einznschreiben. Nicht zu den
Großen und Weisen dieser Erde hat Gott
seinen Sohn vom Berge herab gesandt,
sondern zu den Armen, Kranken, Schwachen
und Einfältigen, welche den Berg um-
lagern, daß er ihnen die Grundsätze seines
Reichs entwickle; die aufgeblasenen zwei
Schriftgelehrten, die sich mit jüdischer
Aufdringlichkeit zuvörderst breitmachen und
ans jedes Wort des Redners spannen,
um ihn später in der Rede zu fangen,
werden sicher nicht eintreten in das neue
Reich, das bestimmt ist, den Erdkreis zu
erobern?) Wie Jesus in der Bergpredigt
als der höchste Lehrer und Gesetzgeber
der Menschheit, so wird Moses in der
Uebermittlnng des Gesetzes als der große
Lehrer und Gesetzgeber seines theokratischen
Volkes verherrlicht. Wohl zertrümmert
dieser Gesetzgeber angesichts des Undanks
seines Volkes in heiligem Zorn die Ge-
setzestafeln und hält ein strenges Straf-
gericht; aber er zeigt sich auch gerade
hier in seiner ganzen Seelengröße, indeni
er Gott wegen der Missetat wieder zu
versöhnen sucht und sich selbst und seine
') Diesem Pharifäeepnar einspricht im Vorder-
grund der Gegensceue das vor dein goldene»
Stier tanzende Paar, gegen welches sich der
Zorn des vorn Berg znriickkehrenden Moses
vor alle»! zn richten scheint. Es ist wenig
glaubhast, das! in dein tanzenden Paar Ver-
wandte des Papstes verherrlicht seien (Six-
tinische Stapelte I, 426', und uniso iveniger über-
zeugend, das; in dein mit aufdringlicher Rückansicht
gemalten spionierenden Pharisäer der Rhodeserritter
Jakob voii Almeioa porträtiert sei (ebb. J, 699),
als dasselbe Modell in der gleichen Auffassung
nebenan als Judas mit dem Teufel im Racken
erscheint. Die von Steiiimann angeführten Schein-
gründe beweisen doch nur, das; der Künstler die
Figur als reichen, vornehnien Orientalen charak-
terisieren wollte.
i Seligkeit rückhaltlos als Sühnopfer an-
bietet. „Verzeih ihnen ihre Sünde oder,
wenn du dies nicht tun willst, lösche mich
ails deinem Buch, das du geschrieben"
(Er. 32, 31 f.). Und er ruht nicht, bis
er vom Herrn Gnade für sein geliebtes
Volk erlangt hat und bis ihm der Herr
als Bekräftigung neuer Huld seine Herr-
lichkeit zeigt (Ex. 33, 13 ff.). Nur des-
wegen malte der Künstler das Vorüber-
ziehen der Herrlichkeit Jahwes ans dein
Berge über beut Lager (irrtümlich steht
weiter oben der Altar vom Bundes-
schluß sei sichtbar) und dein davorstehenden
l Volk, welchem Moses eben von dein
' wiederversöhnten Jahwe die neuen Ge-
setzestafeln überbringt. Danach erklärt
sich auch die Heilung des Aussätzigen:
der Allssatz ist auch hier wie im Reini-
gungsopfer zugleich Symbol für die Sünden
der Menschheit, für welche sich Christus
Gott zum Sühnopfer anbietet. Alls diese
Weise kommt zugleich neben der Lehr- und
Negierungsgewalt Christi und des MoseS
ihre priesterlicye Tätigkeit zur Darstellung.
Ueberaus reich ist also der Ideengehalt
dieses Freskenpaars, und doch ist er da-
init noch nicht erschöpft. Die Scene im
rechten Hintergrund des alttestamentlichen
Bildes bedeutet neben dem Strafgericht
zugleich die Auserwählnng deS Stammes
Levi zum Priesterstamm, und im Gegen-
bild schreitet Jesus init den 12 Aposteln,
die er am frühen Morgen vor der Berg-
predigt auf dem Berg ans der Jünger-
schar ansgewählt halte, vom Berg aus
dem Hintergrund her, und die Zwölfe
haben während der Rede des Herrn hinten
an dem kleinen Hügel Aufstellung genom-
inen. Das Bilderpaar lehrt also zugleich
die Berufung des alt- und des nentesta-
mentlichen Priestertums zur Fortsetzung
des Lehr-, Regierungs- und Priesteramtes,
welches die beiden Stifter des alt- und
»eutestalnentlichen Gottesreichs ausübten.
Ans der Schar der Apostel, welche
> Jesus hier gu seinen Nachfolgern mit den
; ganz gleichen Befugnissen zur Fortsetzung
seines dreifachen Amtes beruft, erwählt er
im folgenden Bild einen, den Petrus,
und übergibt ihm die Schlüssel des Him-
inelreichs, die höchste Gewalt in geistlichen
Dingen, welcher auch die übrigen Apostel
unterstehen. (Fortsetzung folgt.)
Die beiden Darstellungen des Vorder-
grundes sind — nicht zufällig — so an-
geordnet, daß der Bergpredigt die erste,
der Heilung des Aussätzigen die zweite
Ankunft Mosis mit den Gesetzestafeln
symmetrisch gegenüberliegt. Nicht zu de»,
mächtigen Aegyptervolk oder zu einer
anderen Großmacht sendet Gott seinen
Propheten mit seiner Offenbarung und
dein Gesetz, sondern zu dem kleinen,
schwachen und wankelmütigen Völkchen,
um durch seine Anserivählung znm Gottes-
volk und seine Führung die göttliche All-
macht um so deutlicher in die Mensch-
heitsgeschichte einznschreiben. Nicht zu den
Großen und Weisen dieser Erde hat Gott
seinen Sohn vom Berge herab gesandt,
sondern zu den Armen, Kranken, Schwachen
und Einfältigen, welche den Berg um-
lagern, daß er ihnen die Grundsätze seines
Reichs entwickle; die aufgeblasenen zwei
Schriftgelehrten, die sich mit jüdischer
Aufdringlichkeit zuvörderst breitmachen und
ans jedes Wort des Redners spannen,
um ihn später in der Rede zu fangen,
werden sicher nicht eintreten in das neue
Reich, das bestimmt ist, den Erdkreis zu
erobern?) Wie Jesus in der Bergpredigt
als der höchste Lehrer und Gesetzgeber
der Menschheit, so wird Moses in der
Uebermittlnng des Gesetzes als der große
Lehrer und Gesetzgeber seines theokratischen
Volkes verherrlicht. Wohl zertrümmert
dieser Gesetzgeber angesichts des Undanks
seines Volkes in heiligem Zorn die Ge-
setzestafeln und hält ein strenges Straf-
gericht; aber er zeigt sich auch gerade
hier in seiner ganzen Seelengröße, indeni
er Gott wegen der Missetat wieder zu
versöhnen sucht und sich selbst und seine
') Diesem Pharifäeepnar einspricht im Vorder-
grund der Gegensceue das vor dein goldene»
Stier tanzende Paar, gegen welches sich der
Zorn des vorn Berg znriickkehrenden Moses
vor alle»! zn richten scheint. Es ist wenig
glaubhast, das! in dein tanzenden Paar Ver-
wandte des Papstes verherrlicht seien (Six-
tinische Stapelte I, 426', und uniso iveniger über-
zeugend, das; in dein mit aufdringlicher Rückansicht
gemalten spionierenden Pharisäer der Rhodeserritter
Jakob voii Almeioa porträtiert sei (ebb. J, 699),
als dasselbe Modell in der gleichen Auffassung
nebenan als Judas mit dem Teufel im Racken
erscheint. Die von Steiiimann angeführten Schein-
gründe beweisen doch nur, das; der Künstler die
Figur als reichen, vornehnien Orientalen charak-
terisieren wollte.
i Seligkeit rückhaltlos als Sühnopfer an-
bietet. „Verzeih ihnen ihre Sünde oder,
wenn du dies nicht tun willst, lösche mich
ails deinem Buch, das du geschrieben"
(Er. 32, 31 f.). Und er ruht nicht, bis
er vom Herrn Gnade für sein geliebtes
Volk erlangt hat und bis ihm der Herr
als Bekräftigung neuer Huld seine Herr-
lichkeit zeigt (Ex. 33, 13 ff.). Nur des-
wegen malte der Künstler das Vorüber-
ziehen der Herrlichkeit Jahwes ans dein
Berge über beut Lager (irrtümlich steht
weiter oben der Altar vom Bundes-
schluß sei sichtbar) und dein davorstehenden
l Volk, welchem Moses eben von dein
' wiederversöhnten Jahwe die neuen Ge-
setzestafeln überbringt. Danach erklärt
sich auch die Heilung des Aussätzigen:
der Allssatz ist auch hier wie im Reini-
gungsopfer zugleich Symbol für die Sünden
der Menschheit, für welche sich Christus
Gott zum Sühnopfer anbietet. Alls diese
Weise kommt zugleich neben der Lehr- und
Negierungsgewalt Christi und des MoseS
ihre priesterlicye Tätigkeit zur Darstellung.
Ueberaus reich ist also der Ideengehalt
dieses Freskenpaars, und doch ist er da-
init noch nicht erschöpft. Die Scene im
rechten Hintergrund des alttestamentlichen
Bildes bedeutet neben dem Strafgericht
zugleich die Auserwählnng deS Stammes
Levi zum Priesterstamm, und im Gegen-
bild schreitet Jesus init den 12 Aposteln,
die er am frühen Morgen vor der Berg-
predigt auf dem Berg ans der Jünger-
schar ansgewählt halte, vom Berg aus
dem Hintergrund her, und die Zwölfe
haben während der Rede des Herrn hinten
an dem kleinen Hügel Aufstellung genom-
inen. Das Bilderpaar lehrt also zugleich
die Berufung des alt- und des nentesta-
mentlichen Priestertums zur Fortsetzung
des Lehr-, Regierungs- und Priesteramtes,
welches die beiden Stifter des alt- und
»eutestalnentlichen Gottesreichs ausübten.
Ans der Schar der Apostel, welche
> Jesus hier gu seinen Nachfolgern mit den
; ganz gleichen Befugnissen zur Fortsetzung
seines dreifachen Amtes beruft, erwählt er
im folgenden Bild einen, den Petrus,
und übergibt ihm die Schlüssel des Him-
inelreichs, die höchste Gewalt in geistlichen
Dingen, welcher auch die übrigen Apostel
unterstehen. (Fortsetzung folgt.)