Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Rohr, Ignaz: Eine Ausstellung von Goldschmiedearbeiten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0059
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
48

Obgleich der Termin für die Schließung
der Ansstellnng von der Mitte onf das
Ende des Monats November verlegt
wurde, war der Besuch aus der Stadt
und der Provinz ein gleichmäßiger und
zahlreicher bis zum letzten Tag.

Ob die Veranstaltung Vorurteile zer-
streut und Achtung geworben hat für
katholisches Können und die kulturelle Be-
deutung der katholischen Kirche auf künst-
lerischem Gebiet, das muß die Zukunft
lehren. Der momentane Eindruck wenig-
stens läßt es hoffen. „Aber das ist ja
alles katholisch," sagte eine offenbar nicht
katholische Dame beim Eintritt in den
ersten Ansstellnngsranm. „Natürlich Ne-
klame," erwiderte prompt ihr Begleiter.
Und „da merkt man unsere Armut", ge-
stand eine andere (protestantische) Dame
angesichts eines Glasschranks mit meist
protestantischen Paramenten. In der Tat
war der Abstand gnantilativ und teilweise
auch qualitativ ein sehr großer. Man
muß ja freilich das geringere Bedürfnis
des evangelischen Kultes mit berücksich-
tigen. Anderseits ist aber auch zu be-
denken, daß von katholischer Seite ein
stattliches Kontingent von Paramenten
für den Gottesdienst während der Dauer
der Ansstellnng znrückbehalten werden
mußte. Insbesondere aber ist zu er-
wägen, wie viel der Krieg und nament-
lich die Säkularisation als Beute mitge-
nommen, und gewiß war es nicht das
Minderwertigste, was ans diesem Wege
der Kirche abhanden kam. Es war eine
— sicher nicht intendierte — Nebenwir-
kung der Ausstellung, daß in der Erinne-
rung des Volkes die Scenen teilweise
wieder anflebten, die sich damals ab-
spielten, und daß die Werte wenigstens
schätzungsweise nachgercchnet wurden, die
damals dem ursprünglichen Eigentümer
entzogen wurden. Die künstlerischen Werte
traten bei dieser Berechnung hinter den
materiellen zurück. Vom Knlinrstandpnnkt
ans fallen jene in erster Linie ins Ge-
wicht, und da kann man bei ruhigem
Urteil ihre Beseitigung nur bedauern,
denn gerade die künstlerischen Werte sind
in den weitaus meisten Fällen nnwider-
bringlich verloren und waren bei der
Säkularisation sicher auch Nebensache oder
wurden total ignoriert; sonst hätte man

nicht die Prachtstücke ihres Juwelen-
schmncks berauben und einfach zum Ein-
schmelzen verurteilen können. Es liegt
ein Stück Vandalismus in diesem Vor-
gehen, das jenem Zeitalter der „reinen
Vernunft" und der „Humanität" sehr
schlecht zu Gesicht steht. Tie Verluste
jener Zeit sind nicht Verluste der Kirche
allein, sondern zugleich Verluste der Ge-
sellschaft und der Kunst überhaupt.

Umsomehr steigt das, was geblieben
ist, im Wert, und die Ausstellung hat
ganz sicher dazu mitgewirkt, diesen Wert
wieder zum Bewußtsein zu bringen und
das Verständnis für denselben zu ivecken
und zu schärfen. Und wenn auch die
Zusannuenrottnngen der Besucher nur
Ausstellungsobjekte, die mehr anffielen
durch Absonderlichkeit als durch Eleganz,
dem Geschmack derselben kein besonders
günstiges Zeugnis ausstellten, so muß doch
der gute Wille, sich belehren zu lassen,
anerkannt werden. Und die Wehmut,
mit der Vergleiche angestellt wurden
zwischen der sorgfältigen Handarbeit an
den Ausstellungsobjekten aus der Ver-
gangenheit und der sninmarische» und
schablonenhaften Behandlung fabrikmäßig
hergestellter Paramenten, wie sie gegen-
wärtig vielfach angeboten werden, sie be-
kundet doch einen gesunden Sinn, und,
was wichtiger ist, den Anknüpsungspunkt
für die Besserung. Sind erst die Be-
steller wählerisch geworden, so müssen sich die
Produzenten von selber danach richten
und insbesondere werden die wirklich
künstlerisch veranlagten und geschulten
Goldschmiede und Juweliere, die wir trotz
der Massenproduktion immer noch haben,
wieder mehr Beachtung und lohnende
Arbeit finden. Es kann ja nicht jeder bei
ihnen seine Bestellungen machen. Ein
armer Diasporapfarrer ist froh, wenn er
überhaupt einen Kelch, eine Monstranz
und ein Ziborium hat; aber unter gün-
stigeren Verhältnissen kann man andere
Ansprüche machen. Und hat man erst
dem Volke das Verständnis beigebracht
für das Künstlerische, so wächst der Opfer-
sinn, und die Verhältnisse werden von
selber günstiger. Das läßt sich erreichen
durch Belehrung, durch Vorträge und
Demonstration an Bildern, durch Vor-
i zeigen besonders wertvoller Objekte in
 
Annotationen