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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 5
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Groner, Anton: Ueber die Historienzyklen der Sixtinischen Kapelle, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0065

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Hohenpriester und auf Petrus. Wenn es
nicht selbstverständlich wäre, das; Petrus
in der päpstlichen Palastkapelle eben nur
als der erste Papst erscheint, dessen Ge-
walt sich in der legitimen Papstreihe ver-
erbt, das; also der jeweilige Papst die
gleiche Gewalt besitzt wie Petrus, dann
brauchten wir nur ans Jnstitoris' Worte
hinzuweisen, die mit aller wünschens-
werten Klarheit anssprechen, das; dieses
Freskenpaar, in welchem die Jdeenreihe
des ganzen Bilderkreises gipfelt, in der
Anffassnng der damaligen Kurie auf das
Papsttum abzielt.

Hier hat der Zyklus seinen Höhepunkt
erreicht. Die noch übrige Freskengrnppe
bildet zu den vorhergehenden eine Art
Rück- und Ausblick. Moses und Christus
haben ihre Reiche, die alttestamentliche
Theokratie und das neutestamentliche
Himmelreich, konstituiert, sie haben zur
Fortsetzung ihres dreifachen Amts die
Hierarchie eingesetzt und ihr im Hohen-
priestertnin und im Papsttum eine ein-
heitliche Spitze gegeben, sie sind mit ihrem
Volk an den Grenzen des gelobten Landes
angelangt, das sie selber nicht betreten.
Zum letztenmal versammelt nun der
scheidende Erzieher lind Führer Israels
sein Volk, übergibt ihm als sein Ver-
mächtnis das von ihn; niedergeschriebene
Gesetz Jahwes und spricht seinen Segen
über die zwölf Stämme, unter denen der
Priesterstamm Levi noch einmal besonders
hervorgehoben wird?) Jesus versammelt
die Zwölfe zum Abschiedsmahl und setzt
als sein Testament die hl. Eucharistie ein.
Der Künstler war nach dem Zusammen-
hang des Zyklus in der Auffassung des
Vorgangs von vornherein ans den Moment
verpflichtet, da Jesus den Aposteln ge-
bietet : „Tut dies zu meinem Andenken".
Deshalb ist auch hier, was in keinen;
andern Abendmahlsbild der Fall ist, der
Tisch vollständig abgeräumt; nur Jesus
hat vor sich den Kelch und das Brot.")
Das viel dankbarere Motiv der Ankün-

') Die gleiche Symbolik findet sich auch in
den Raffael-Loggien, wo der nakte Levite bei der
Landverteilttiig für andere Stämme die Landlose
ans der Urne zieht.

2) Um der Typologie willen steht vor dem
Herrschersitz des Moses die Bnndeslade mit einem
Behälter voll Manna und den Gesetzestafeln.

dignng des Verrats war für Roselli voll-
ständig ausgeschlossen, was bei der Wür-
digung seines Werkes billigerweise in Be-
tracht gezogen werden sollte.

Der Hintergrund gibt (iit der Richtung
des Zyklus fortschreitend einander sym-
metrisch gegenüber) drei Vorgänge nach
den; Abschied: vom Berg Rebo aus zeigt
der Engel Gottes dem Moses das Land
Kanaan, den ans den; Oelberg in Todes-
angst zagenden Christus stärkt der Engel
durch einen Blick in das „Himmelreich",
in welches sein Volk in kurzem einziehen
soll; einsam wankt Moses den Berg herab,
um zu sterben, verlassei; voi; alten läßt
sich Jesus den Berg herabführen den;
Tode entgegen; einige Juden betrauern
den Leichnan; ihres große;; Führers und
unter dem Kreuz beweinen einige Getreue
den toten Christus, nachdeu; es „voll-
bracht", das Land der Verheißung, das
Himmelreich oder die Kirche, erobert ist.

Das letzte Bild enthält die Auferstehung
Jesu, den stärksten Beweis für seine gött-
liche Sendung und für die Göttlichkeit
seiner Stiftung, zugleich das Unterpfand
unserer künftigen Auferstehung. Das
Gegenstück dazu bildet der Kampf des
Erzengels Michael mit dem Satan nn; den
Leichnan; des Moses (Jud. 9).

lieber die z e i t g e s ch i ch t l i ch e n A n -
sp i e l u n g e n.

Das ist in knappen Worten ungefähr
der Ideengehalt des gedankentiesen Bilder-
kreises. So einfach und großzügig schreitet
der Grundgedanke in den beiden Reihen
voran, daß man sich über seine Verken-
nung wahrlich wundern muß. Das genial
angelegte Werk erklärt sich demjenigen
ganz von selbst, der unbefangen, mit offe-
nem Auge und etwas theologischem Em-
pfinden, das eben bei einem derartigen
Werk der religiösen Kunst das kunsthisto-
rische Gefühl notwendig unterstützen muß,
an dasselbe herantritt.

Unbegreiflich erscheint es insbesondere,
wie die Wissenschaft Steinmanns Auf-
fassung des Zyklus adoptieren konnte.
Danach wäre der wohl ursprünglich vor-
handene einheitliche Plan während der
Ausführung durch gewaltsame Eingriffe
des Papstes Sixtus tV. znm Zweck seiner
Selbstverhimmelnng vollständig zerstört
 
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