Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

DOI Heft:
Nr. 6
DOI Artikel:
Ehrhart, Alfons: Die Entstehung der christlichen Basiliken, [1]
DOI Artikel:
Groner, Anton: Ueber die Historienzyklen der Sixtinischen Kapelle, [5]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
59

bestimmtes Gebäude oder ein einzelner
Gebäudeteil das alleinige Vorbild der
Basilika sein soll. Wir sind vielmehr der
Ansicht, daß bei ihrer Entstehung mehrere
Faktoren mitwirkten und mehrfach ähn-
liche Vorbilder ihre Gestalt und Form
bestimmten. (Schluß folgt.)

lieber die biftorion^'flcn der Sir
tinischen Kapelle.

Bü» Dr. 2t. Groner in Freiburg i. Br.

(Fortsetzung.)

„An diese Schöpfung, die größte Wohl-
tat, ivelche er der Stadt Rom überhaupt er-
iviesen. wollte also der Papst beim An-
blick von Botticellis Fresko erinnert sein"
(Rom in der Renaissance, S. 67). Was
ist daran richtig? Rur das, daß Botti-
celli, der nun einmal die Tempelzinne
nach einem römischen Banmotiv (wie der
Konstantinsbogen in dem Zyklus viermal
erschein!) oder nach eigener Phantasie
malen mußte, die prächtige Renaissance-
sassade des neuen Heiliggeistspitals nach-
ahmte uub damit Sixtus IV. ein artiges
Kompliment machte. Mit dein gleichen
Recht dagegen, wie Steinmann die Per-
sonen nur den Opferaltar mit der Kon-
gregation des genannten Spitals, könnte
man etwa die Zuschauer bei der Beschnei-
dnng des Mosesbübleins mit dein römi-
schen Ghetto in Zusammenhang bringen.
Auch die Opferscene ist wieder eine
bloße Verherrlichung der Gelehrsamkeit
des Papstes, der in dem Streit der Fran-
ziskaner und Dominikaner über das Blut
Christi eine Rolle gespielt hatte und in
seiner Schrift gelegentlich auch vom Blut
der alttestamentlichen Opfertiere spricht
(Sixtinische Kapelle l, 249 ff.). Also
zwei Mücken auf einen Schlag! Nun ist
immer noch nicht erklärt, was denn der
Anssatz hier soll; denn die Aussätzigen
hatten ja ihre eigenen Leprosenhänser vor
den Städten und wohnten nicht im Stadl-
spital. Run, Sixtus IV. war früher
Franziskaner, Stifter, des Franziskaner-
ordens ist der hl. Franziskus und dieser
hat gelegentlich einen Aussätzigen gepflegt!

Mit einer apodiktischen Sicherheit, als
ob es sich um die Wiedergabe einer authen-
tischen Urkunde handelte, erklärt uns
Stcinmann weiter (Sixtinische Kapelle l,

239 sf., 254 ff.): Tatsächlich war die

Verteilung der alttestamentlichen Scenen
ursprünglich so geplant, daß die Berufung
des Moses und der Auszug ans Aegyp-
ten mit dem Durchzug durchs Rote Meer
auf einer Fläche dargestellt werden soll-
ten. Auch hier haben äußere Verhält-
nisse störend in die Ausgestaltung des
Bilderkreises eingegriffen. Am 21. August
1482 siegten die Päpstlichen und ihre
Bundesgenossen, die Venezianer, unter bem
venezianischen Feldherrn Roberto Mala-
testa ans dem Feld von Campo Morto,
wodurch Rom vor einer Plünderung be-
wahrt blieb. Sofort befahl der Papst
bem Botticelli, alle übrigen Scenen im
vorausgehenden Gemälde mitznverarbei-
teit, darunter auch die Berufung Mosis,
die doch ursprünglich erst im folgenden
Gemälde als Typus der Berufung der
ersten Jünger dienen sollte. Steinmann
hätte sich darüber klar sein müssen, daß
dies überhaupt gar nicht möglich gewesen
wäre, weil Moses der Berufung der
ersten Jünger gegenüber als der Be-
rufende und nicht als der Berufene anf-
treten mußte.

Eine gleich gewaltsame Deutung unter-
legt Steinmann dem Untergang der Rotte
Kore. Auch dieser ist ein späteres Ein-
schiebsel des gewalttätigen und ruhmsüch-
tigen Papstes und richtet sich gegen den
Erzbis chof Andreas Zamometic, der am
25. März 1482 ein allgemeines Konzil
nach Basel berief. Steinmann glaubt so-
gar, Zamometic habe aus Basel seine
Photographie nach Rom geschickt, damit
er dort als „die Bestie, ivelche den
Berg Gottes berührte", in effigie gestei-
nigt werden könne.

ES wäre überflüssig, über diese angeb-
lichen zeitgeschichtlichen Anspielungen ein
Wort zu verlieren, weil sie eben nur das
Ergebnis des fast unglaublichen Versehens
Steinmanns und der dadurch bewirkten
Ratlosigkeit dem Zyklus gegenüber sind,
wenn nicht Steinmann seine Erklärung
j wenigstens des einen dieser Fresken, des
! Untergangs Kores, positiv erwiesen zn
i haben glaubte, nämlich durch die oben
! verwerteten Anspielungen des Heinrich
Jnstitoris (bei Steinmann heißt der be-
rühmte oder berüchtigte Mann durch-
i gehends Jnstitoris) in seinem offenen
 
Annotationen