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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 7
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Naegele, Anton: Ein neuentdecktes Totentanzgemälde aus dem Mittelalter in der deutschen Reichshauptstadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0081

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69

Seht, wie säuberlich (suverlüken) ich Euch
vortauzeu mag!

Verlasset Eures Klosters Bequemlichkeit (!)",
worauf der Kartäuser klagt:

„Ach, guter Tod, Sterben ist ein gemein-
sames Recht,

Denn sterben müssen beide, Herr und
Knecht.

Geistlich, weltlich, auch Mönche. ... Manu
und Frau-"

Die nächste Gestalt ist der Arzt, der
im Mittelalter zum geistlichen Stand ge-
rechnete Doktor, in scharlachrotem, am
Hals und an den Aermeln mit grauem
Pelz besetzten Mantel und rotem Barett
ans dem Kopfe; nachdenklich prüft er in
merkwürdiger, ganz charakteristischer Hal-
tung, ähnlich dem Doktor im Lübecker
Totentanz, das vor sein besonders schön
gemaltes Angesicht emporgehalteue Glas,
das uralte Mittel ärztlicher Diagnose bis
in unsere Zeit herein. Den Konkurrenten
des Todes faßt der zum Tanz abholende
Tod ganz besonders fest und energisch an
in Haltung und Wort:

„Herr Doktor, Meister in der Arzenei,
Ich Hab Euch aufgefordert nun wohl schon
drei small trede ghenschet wol dryge).
Noch meinet Ihr leider länger zu leben
lind wollt Euch nicht zu Gnade geben.
Nun scheidet von dann'

Und seht, wie wohl ich Euch vortanzen

kann."

Arzt:

„Ach, allmächtiger Gott, gib du mir nun
Rat,

Denn das Wasser ist über die Maßen
qnat (— matt?).
Ich sollte nwhl in die Apotheke gehen,
Denn ich sehe den Tod hart vor mir stehen.
Da hilft kein Wasser, kein Kraut im
Garten,

Herr Jesu, willst du meiner warten!"

Weiter folgt der Mönch in lehmgelbem
Mantel, dunkler Kutte und rotem Barett,
olnvohl verschiedene einzelne Orden in
unserem Totentanz anftreten, ganz allge-
mein als Maink, Mönch, ohne Unterschied
des Ordens bezeichnet, ähnlich wie im
Lübecker Totentanztext von 1520. (Bro-
der Monpck von watt orden dattn byst.)
Am Gürtel trägt er einen blauen Beutel.
Zu ihm spricht der Tod:

„Herr Mönch, ich ivill Euch etwas sagen:
Den blauen Beutel mögt Ihr nun von

Euch legen.

Und auch dazu das Barettchen weist.
Versuchet nun, ivie nwhl Euch das Tanzen

sei.

Das ihr oft getan habt mit Ehren.
Folget nach; Ihr müßt den Zug ver-
mehren !"

Darauf antwortet der überraschte Mönch:
„Ach, guter Geselle, taste mich nicht an.
Denn ich bin ein ergebener geistlicher

Mann.

Ich wußte gar wohl, daß du wolltest

kommen.

Doch konnte ich der.

Denn niemand weist, wann der Tod tut

kommen.

Hilf nun, Jesu, ivie ich mir nun soll raten,

Amen."

Eine besonders feine und zierliche Ge-
stalt ist der D o m h e r r mit zartem,
jugendlichem Angesicht, braunem Haupt-
haar und rotem Barett, schwarzem Män-
telchen über weißem Unterkleid, unter dem
ein blangrünes hervorschant; Mater und
Dichter haben hier ganz charakteristische
Züge in Bild und Wort angebracht:
Tod:

„Herr Domherr von hohem Staat,

Zu dem Tanz der Toten ich Euch lad'.
Darüber Ihr wohl nicht viel habt nach-
gedacht.

Derweil Ihr Euch das Leben leicht ge-
macht.

Leget mit Huld nieder das Barettchen rot.
Folget mir schnell nach, ich bin der Tod."
D o in h e r r:

„Ach, du himmlischer König der Ehren,
Nun ist die Zeit, daß ich must sterben

lern'.

Hätte ich das gelernt in jüngeren Jah-
ren . . . ."

Es folgt der Abt mit dem gotisch ver-
zierten Krummstab, in blaues Untergewand
und schwarze, weitärmelige Kutte gekleidet
und ein rotes Barett auf dem Kopfe,
eine hohe, energische, fast derbe Gestalt;
das Gespräch zwischen Tod und dem als
reich angeredeten Abt ist nur ganz frag-
mentarisch erhalten, ebenso die Verse unter
dem Bild des nun folgenden Bischofs,
bekleidet mit weißem Talar, damastenem,
 
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