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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 11
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Pfeffer, Albert: Frühgotische Dekorationsmalereien in der Martinskirche zu Ebingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0115

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102

die Wand; mit vollendeter Sicherheit und
feinem Geschmack führt er sie aus. Ganz
flächig werden die Ornamente aufgetragen.
Als Farben kommen blau, braun, rot,
selten grün und gelb zur Verwendung.
Es ist staunenswert, welch große einheit-
liche Wirkung durch diese sparsame, aber
geschickte Ausnützung weniger Farben er-
reicht wurde. Besonders bemerkenswert
ist, daß überall der weiße Grund ansge-
spart ist; das bewirkt in Verbindung mit
den wenigen lasierenden Farben, daß die
Malerei nirgends schwer oder grell wird
und daß sie nicht zu selbständig hervor-
tritt, vielmehr sich als dienendes Glied
unter die Architektur nnterordnet.

Was den Inhalt der Dekorationen be-
trifft, so ist man überrascht durch die
Fülle der Motive. Jeder Arkadenbogen
zeigt wieder eine andere Ornamentik.
Bald ist der Raum in Quadrate aufge-
löst, bald in Kreise, Ellipsen, Vierpässe,
bald ist er mit Laubwerk zngedeckt. Die
heimische Flora liefert dem Künstler als
Material Blätter rind Blüten, die er flott
und frisch für Flächendekorationen stili-
sieren kann. So reich ist er an Mo-
tiven, daß er nie ein Ornament zweimal
verwendet.

Besonders bemerkenswert ist der erste
Arkadenbogen auf der Epistelseite. In
dem Nankenwerk tummelt sich die Fabel-
weit des Mittelalters: Bock, Asse, Weib
(mit modernster Frisur!), Löwe, Mann,
Hase, Einhorn, Eber, Fuchs. Das Vor-
kommen von Mari» und Weib dürfte den
Gedanken nahelegen, daß der Künstler den
Sündenfall darstellen wollte. Asse ilnd
Löwe sind Symbole des Teufels, der die
Menschen versuchte (I. Krenser, der alt-
christliche Kirchenban, ll, 263 ff.), wäh-
rend die übrigen Tiere die Sünden der
Menschen symbolisieren sollten (vergl. den
Taufstein im Brandenburger Dom, wo
Bock, Eber, Fuchs, Hase und andere Tiere
als Sinnbilder der durch die Taufe aus-
getriebenen Sünden erscheinen, bei Kraus,
Geschichte der christlichen Kunst, II, 1, 407).
Möglicherweise sind diese Tierdarstellungen
lediglich Spielereien und dienten nur zur
ornamentalen Ausfüllung des Raumes.
Bei der weiten Verbreitung und große»
Beliebtheit, welche der Physiologus und
die Bestiarien • im Mittelaller genießen.

ist der Gedanke an einen tieferen, lehr-
haften Sinn nicht von der Hand zu
weisen. Diese Vermutung, eS könnten
durch die verschiedenen Tiere die Laster
und Sünden seit dein Sündenfall darge-
stellt werden, durch welche der Mensch
Gott entehrt, legt sich dadurch nahe, weil
auf dem gegenüberliegenden Bogen ans
der Evangelienseite musizierende Engel
dargestellt sind, wie sie Gott loben und
verherrlichen, eine Illustration des 150.
Psalmes. Jeder Engel ist in einen Vier-
paß eingeschlossen; bald en face, bald
von der Seite her traktiert er sein In-
strument : Trompete, Posaune, Mando-
line, Harfen,. Trommeln, Dudelsack,
Doppelflöte, Schellen und Pauken. Diese
Engel sind edle, zarte und duftige Ge-
stalten, lebhaft bewegt, mit reichster Ab-
wechslung, in wenigen sicheren Strichen
gemalt. Das Engelskonzert stellt der
Phantasie, künstlerischen Gestaltungskraft
und der technischen Sicherheit des Malers
ein hohes Zeugnis ans.

An den Scheiteln der Arkadenbogen
finden sich sehr beachtenswerte Me-
daillons. Zweimal je am vordersten
Bogen kommt ein jugendlicher, tief und
edel aufgefaßter Christuskopf mit Kreuz-
nimbns vor; an den übrigen Bogen-
abschlüssen sind die Evangelistensymbole,
Gott Vater als eine mit dem Krenz-
nimbus umrahmte aus den Wolken kom-
mende segnende Hand (in der älteren
Form mit drei segnenden Fingern), das
Lamm Gottes mit Fahne, Pelikan und
Adler.

Beim Niederlegen der Außenwände der
Nebenschiffe kamen fast überall Spuren
von Wandfresken znm Vorschein. Kennt-
lich war allein ein Stück eines ca. 1 m
hohen Frieses, ein Bischof mit Mitra,
ans seinem Throne sitzend und dem vor
ihm stehenden Volke predigend: vielleicht
ein Teilstück von einem größeren St. Mar-
tin ns - Zyklus. Der Technik und Auf-
fassung nach dürften diese Malereien auch
gleichzeitig mit den obigen dekorativen
Malereien entstanden sein.

Ans erheblich späterer Zeit sind die
um die Arkadenbogen gemalten.Krabben
und Kreuzblumen und die in de» Arkaden-
zwickeln stehenden Apostel mit Spruch-
 
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