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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 1
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Gradmann, Eugen: Frühgotische Wandmalereien in der ehemaligen Kapelle zu Münzdorf, OA. Münsingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0013
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8 —

ex integra Humana massa resurgant
iiicorrüpta corpora sanctorum, quae
non tan tum per bestias ut depictum est,
afferentur, sed nutu Dei praesentabuntur.

Die Anordnung des Weltgerichtsbilds
in verschiedenen getrennten Streifen ist
altertümlich; vielleicht geht sie auf Vor-
bilder in Bilderhandschriften zurück; in
solchen ist sie üblich, freilich auch in den
monumentalen Darstellungen des Gegen-
stands, in der Kirchenmalerei dcS früheren
Mittelalters.

Eine Gestalt von ausfallender Schön-
heit ist der geflügelte Erzengel Michael,
der links vom Weltgericht, unterhalb der
Apostel, gemalt ist. Er hält in der linken
Hand eine Wage mit langem Wagbalken.
In der als Korb gezeichneten einen Schale
sind zwei Seelen dargcstellt als kleine
Menschen, Mann und Frau mit flehender
Gebärde. Die andere Schale ist nicht
mehr da. In der rechten Hand scheint
Michael eine offene Rolle zu halten.

Nord w and, von Westen nach Osten:
Oben (ans der Empore) Maria mit
dem Mantel als Beschützerin der
Christenheit. Maria trägt Krone und
Nimbus, das Christkind, das auf ihrem
rechten Arm sitzt, ist bekleidet mit einem
langen Nock und hat ums Haupt den
Kreuznimbus. Beide halten in der Hand
einen Apfel (Kugel). Den pelzgefütterten
Mantel halten zwei schivebende Engelchen
empor, die in der anderen Hand eine
Kerze tragen. In vier Reihen hinter-
einander, so daß von den hinteren nur
die Köpfe sichtbar werden, stehen die
Menschlein links und rechts von der
Mnttergottes unter dem Schntzmantel zu-
sammengedrängt. Zu Füßen der Mntter-
gottes sind wieder zwei Wappen ange-
bracht, je ein längliches Dreieckschild und
darüber ein Topfhelm mit Decke. Das
Wappenbild ist heraldisch, rechts eine
gekrönte Jungfrau, die eine Lilie in der
Hand hält (Grafen von Kirchberg); links
der schräge Ast von Gundelfingen. Stif-
teliu ist demnach wohl dieselbe Gräfin,
deren Grabstein mit denselben beiden Wap-
pen und unvellständiger Majuskelninschrift
. . . COM1T1SSA . . . ut der Stadt-
pfarrkirche zu Hayingen erhalten ist. Leider
ist kein Stammbaum der Familie von
Gundetfingen veröffentlicht.

Nach rechts folgeit P a s s i o n s b i l d e r:
Christus am Oelberg, kniend, mit
erhobenen, wie es scheint, zusammen-
gelegten Händen. Ein kleiner Engel,
der oben in der rechten Ecke mit halbem
Leib ans Wolken erscheint, hält ihm ein
Kreuz mit vier ktirzen geschweiften Armen
vor. Unter ihm sind fünf Jünger in
gedrängter Gruppe sitzend und schlafend
dargestellt. Ein schmales Band mit einer
Verzierung, die Edelsteine anzndeuten
scheint, trennt dieses Bild vom fol-
genden, das auf der andern Seite durch
ein Band mit Wellenotnanient eingefaßt ist.

Das ziveite Passionsbild stellt den
B e r r ä t e r k n ß, die G e f a n g e tl n a h m e
und die Gewalttat des Petrus zu-
gleich dar, eine interessante, außerordent-
lich reiche Komposition, deren dichtgedrängte,
vielfach überschnittene Figuren das Bild-
feld vollständig ausfüllen. Der Mittel-
punkt ist die Gestalt von Christus, dessen
duldende Haltung wirkungsvoll kontrastiert
mit den zudringlichen, drohenden und ge-
walttätigen Stellungen und Bewegungen
der Gegenspieler, Nebenpersonen und Sta-
tisten dieser dramatischen Scene. Alan
kann sich wohl vorstellen, wie dieses Bild
den naiven Beschauer im Mittelalter er-
griffen haben mag. Wenn unser Kopist
sich nicht getäuscht hat, so hat der mittel-
alterliche Maler den Figuren der Häscher
auch schon komische Physiognomien ver-
liehen. Auf seiner rechten Seite wird
Christus umhalst und geküßt von bem
Verräter. Seine rechte Hand ist, wie es
scheint, bereits an das Ohr des Malchus
gelegt, nach dem Petrus eben erst zum
! Schwertstreich ausholt. Malchus ist eine
knabenhafte, kleine, aber in ihrer be-
straften Dreistigkeit gut charakterisierte
Figur. Am linken Arm, dessen verhüllte
Hand den Bausch des Mantels zu halten
scheint, wird Jesus gepackt von einem
Kriegsknecht, der ihm zugleich mit der
anderen Hand einen Faustschlag ins Ge-
sicht ztt geben droht.

Merkwürdig sind die Trachten und
Waffen der Häscher, bereit mehrere den
Jndenhnt tragen. Zwischen ihren Spießen
ragt eine sogenannte Kuse, Urform der
Hellebarde oder Helmbarte, hervor.

Das dritte Passionsbild zeigt Ch r ist ns
! vor eine in sein e r R i ch t e r. Christus,
 
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