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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 2
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Baur, Ludwig: Was wir sollen und wollen, [2]: zum 25. Jubiläum unseres "Archivs"
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0020

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14

fällt nicht die Planlosigkeit auf, um bei
der Plastik zu bleibeu, mit der die Hei-
ligenfiguren znsanunenhangslos und ohne
inneren verbindenden Gedanken in den
Kirchen herum gestellt werden — und die
uns in einen beschämenden Gegensatz zu
den gedankentiefen und an symbolischer
Bedeutung so reichen Anordnung der ro-
manischen und besseren gotischen Zeit stellt!
Aber wir wollen ja doch unsere Aufgabe nicht
etwa im Aufstöbern von Geschmacklosig-
keiten erblicken und die wenig ansprechende
Rolle lästiger Tadler übernehmen, son-
dern in der Erfüllung positiver Aufgaben
muß der Schwerpunkt unserer Tätigkeit
liegen. Und deren gibt es auch heute
noch genug! — Auf keinem einzigen Gebiet
nieder der allgemeinen noch speziell der
christlich-kirchlichen Kunst ist Stillstand, son-
dern ein erfreuliches Vorwärtsstreben und
Fortschreiten. Die großen Erörterungen
über einen neuen Stil, die Frage über
den Bau von Landkirchen, die durch die
Monographie von O. Hoßfeld (1905) eine
so hübsche Heransarbeitung des Problems
gefunden hat, die für die ästhetische Wirkung
der Jnnenarchitcktonik nicht minder als für
die praktischen Bedürfnisse des Gebrauchs
so bedeutsame Frage der Ranmkonstruklion,
der Raumeinheit und der Raumgliede-
rnng, zu welcher sich der Streit über ein-
ränmige und mehrräunnge Kirchen ans
kunstästhetischem Boden verfeinert hat, d.ie
Fragen über praktische Herstellung von Sa-
kristeien/ von Emporen, von Beleuchtungs-
anlagen in unseren Kirchen und noch man-
ches andere, was die Theorie und Praxis
beschäftigt, muß in zeitgemäßer Form zur
Erörterung kommen. — Die gegenwär-
tigen Bewegungen auf dem Gebiete der
Malerei, die durch die geistvolle Schrift
von P. Ausgar Pö l l ma nn über hiera-
tische Kunst wieder auf tiefere grundsätz-
liche Frage» hinübergeführt wurde», dürfen
dem Klerus nicht unbekannt bleiben, denn
er muß befähigt sein, im zutreffenden
Falle sich über diese Dinge ein Urteil zu
bilden. So verworren und verwirrend auch
die Tendenzen in der neuzeitlichen Malerei
innerhalb der einzelnen Richtungen, Ver-
einigungen uub Schulen sind: sie müssen
doch ans ihre Prinzipien, aus denen sie
hervörwuchsen, ans die Zwecke und tat-
sächlichen Erfolge hin untersucht werden,

wenn ein Urteil darüber möglich sein soll,
inwieweit ihnen ein Eindringen in das
Heiligtum verstattet werden könne, wie weit
nicht. Denn Dogmatik und Reinlichkeit
des Charakters verlangen in gleicher Weise,
daß der königlichen Wahrheit des Christen-
tums keine Elemente beigemischt werden,
die ihr fremd sind oder gar in innerem
Widerspruch zu ihr stehen. Wir können
nicht dulden, daß unter der Flagge „Mo-
derne Kunst" Auffassungen in die Dar-
stellungen der christlichen Wahrheiten ins
Gotteshaus hereingeschmuggelt werden, die
ans vollendetem Subjektivismus geboren,
die historischen Tatsachen des Christen-
tums in Visionen verflüchtigen und einen
Angriff auf die objektiven und unwandel-
baren Grundlagen des Christentums be-
deuten. — Wir können aber auch nicht
schlankweg alles von der Hand weisen,
was die moderne Kunst als ihre Er-
rnngenschaften und bleibenden Fortschritte
ansieht. Hier gilt es ruhig zu prüfen.
Die Frage der Kirchenbemalung ist
noch weit davon entfernt, zu einer ein-
heitlichen übereinstimmenden Lösung ge-
kommen zu sein: aber gewisse festere Ge-
sichtspunkte ringen sich doch ans Licht.

In den Erörterungen über Polychro-
mierung, über Stil und Farbengebung der
Glasgemälde und nicht zuletzt über Para-
mentik, ihre Stoffe und Farbenzusammen-
stellungen, haben sich Auffassungen ergeben,
die wenigstens znm Teil mit guten Grün-
den gestützt, gegenüber früheren gewisse.
Differenzen hinsichtlich der Beurteilung
der Farbenwerte und der Prinzipien ihrer
Verwendung ergeben.

In dem weitverziveigten Gebiet der
christlichen Kunstgeschichte und ihrer Hilfs-
wissenschaften stehen wir, um nur einen
Punkt hervorzuheben, seit den Forschungen
Strzygowskis vor einem ziemlich radi-
kalen Umschwung des Wissens über die
knnsthistorischen Beziehungen von Orient
und Rom bezw. Abendland überhaupt,
wonach der Orient der gebende, der
Occident der empfangende Teil ist. —
Die Verbindung von Mystik, Symbolik,
Liturgie, Volksandacht und Malerei offen-
bart den weiter vordringenden knnsthistori-
schen Studien immer reichere Zusammen-
hänge und läßt inis tiefer in die lebendig
strömenden Quellen hinabschauen, ans
 
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