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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 2
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Baur, Ludwig: Die neuen Glasgemälde in der Stadtpfarrkirche zu Schramberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0025

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- 10 -

Malerei eine ganz ähnliche Wandlung im
Verlauf des 19. Jahrhunderts zu ver-
zeichnen, wie in der Architektur. Nur
sind wir in letzterer darüber hinaus
weiter gekommen, in jener vorerst nicht
in gleichem Maße. Ich meine das so:
Aehnlich wie die Architektur, so schulte
sich — seit ihrer Neubegründung in
Deutschland durch Frank ans Nürnberg,
auch die Glasmalerei zunächst wieder an
ihren mittelalterlichen Vorbildern heran:
die Herstellung des Glasmaterials, in
der wir heute übrigens noch nicht die
Vollwertigkeit des mittelalterlichen erreicht
haben, die Farbenwerte, die Gestaltungs-
mittel, die Konstruktionstechnik und die kunst-
ästhetischen Grundsätze mußten erst an
dieser früheren Knust wieder erlernt werden.
Es ist verständlich, daß man — ebenso
wie in der Architektur — diese mittel-
alterliche Form der Glasmalerei als die
einzig berechtigte ansah und den ästhetisch-
praktischen Prinzipien, die ihr zu Grunde
lagen, eine ausschließliche Geltung zuzn-
sprechen geneigt war, indem man eben
nur aus ihr heraus jene Prinzipien in-
duzierte und abstrahierte. Man stellte
als solche Grundsätze auf: den monu-
mentalen Charakter, die flächenhafte und
dekorative Behandlung im Gegensatz zu
der späteren bildnismäßigen der Renais-
sance- und Barockzeit, den Charakter der
Teppichmalerei, den die Glasgemälde an
sich tragen müssen. Freilich nahm man
dann auch nicht selten Dinge als wesent-
lich an, die lediglich aus der relative»
Unvollkommenheit der Maltechnik hervor-
gegange» waren und zweifellos mit ihr
ansgegeben werden dürfen. — Wir müssen
es uns versagen, in diesem Zusammen-
hang die berechtigten Elemente dieser
Forderungen näher zu untersuchen, zu be-
weisen und den Umfang ihres Geltnngs-
wertes zu bestimmen.

Die immer weiter voranschreitende Ber-
vollkommunng der Technik der Glasmalerei
gerade nach der malerischen Seite setzt
uns in den Stand, alle Farben, Schat-
tierungen, Abtönungen in Ueberfang-
glüseru herznstellen. Infolge dessen ver-
wehrt man es heutzutage nicht, unter Berück-
sichtigung der vollkommeneren AnsdrnckS-
mittel der heutigen Technik eine etwas
freiere malerische Behandlung und selbst

räumliche Entwicklung anznstreben und Kir-
chen der späteren Baustile mit Glasgemälden
zu versehen, die ihrer Stilart entsprechen.
Welchen Grad der Monumentalität unter
Verzicht ans eine Tiesenentwicklung Glas-
gemälde der Renaissance erreichen, sehen wir
beispielsweise an denen des DettingerChör-
leins im Freiburger Münster. Man wird
dieser „Jndnlgenz" die Berechtigung nicht
absprechen können. Es war ganz zweifel-
los ein ungerechtfertigter und zudem ans
einen kunsthistorischen Irrtum gestützter
Rigorismus, wenn eine neuere Entschließung
des bayerischen KultnSministerinms ans
Grund eines Gutachtens des General-
konservatorinms der Kunstdenkmale und
Altertümer Bayerns sich dahin aussprach:
„Es ist .... wünschenswert und sollte
zur Richtschnur dienen, daß bei der Re-
stauration oder der Vermehrung des
Schmuckes von Kirchenränmen ans den
Stilperioden der Hochrenaissance, des
Barock, Rokoko und Empire in allen
Fällen, ivo es sich um charakteristische
und künstlerisch beachtenswerte Leistungen
handelt, die Zutat von Glasmalereien
und sogenannten Kunstverglasungen unter-
lassen wird." — Gegen eine derartige
Auffassung wandte sich Detzel, der her-
vorragende Kenner der kirchlichen Glas-
malerei, mit aller Schärfe, aber gewiß auch
mit vollstem Recht (vergl. „Archiv" 21
(1903), 85 sf.).

Maßgebend muß jedoch auch für diese
Stilgattung bleiben das Streben nach
monumentalem Charakter und einfacher
Kraft, die Uebereinstimmung der figuralen
Darstellung mit den eigentümlichen Er-
fordernissen der Glasmalertechnik, die sie
davor bewahren muß, mit der Oel- und
Tafelmalerei konkurrieren zu wollen; die
Beachtung und Einhaltung der Grenzen
ihrer Leistungsfähigkeit, die sich ans ihrem
eigenartigen Wesen ergeben; die Forde-
rung, daß der architektonische Aufbau des
Fensters, seine Verbleiung und Verstabung
(Eisenarmatur, Windeisen) nicht außer
acht gelassen werde; l) die wvhldnrchdachte

’) Fr. Geizes betont gerade diesen Punkt
sehr nachdrücklich, wenn er sagt: „Dieses Blei-
netz einschränke», oder gar über das von Fall zu
Fall verschiedene künstlerische Erfordernis hinaus
verdrängen zu wollen, das wäre eine Verkennung
seines eminent künstlerischen Wertes in der Glas-
 
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