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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 2
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Baur, Ludwig: Die neuen Glasgemälde in der Stadtpfarrkirche zu Schramberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0026

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20

Rücksichtnahme auf die Architektur und l
die Naumkonstruktion der Kirche — ge- 1
rade darin lag ja ein vielgerühmter Haupt-
vorzug der alten Glasmalerei — und
last not least der praktische Gesichtspunkt:
genügend Licht für die Benützung des
Gebetbuchs, das für den heutigen Kirchen-
gänger unentbehrlich ist. — Die neuere
Technik setzt uns in den Stand, diese
Rücksicht durchaus malten zu lassen, die
besonders für spätere Stilarten von
grundlegender Bedeutung ist. Hiefür ist
der Rat Detzels wertvoll: „Man wähle
helle, fast iveißliche, gelbliche, nie grün-
liche Verglasungen mit einer geschmack-
vollen Linienführung der Verbleiung und
wende in mäßiger Form Silbergelbdecor,
hie und da verbunden mit etwas Grissaille-
ornament an. Da, wo Figuren zulässig
sind, wähle man für sie die hellsten
Farben, ja vielleicht nur Töne, so wie
mir dies häufig bei Fresken finden, und
lege sie direkt auf den hellen, nnbemalten
oder kaum dekorierten Fond" („Archiv" 21
(1903), 87).

Betrachten wir nun die Schramberger
Fenster näher'): Es sind zwei Lang-
fenster, 1,8 m vom Boden entfernt an-
setzend, beide von.6,5 m Höhe und 1,8 m
Breite. Sie sind angebracht in der
Stirnwand des Chores, zu beiden Seiten
des Hochaltares, über dem sich eine sehr
ansprechende edle Kreuzigungsdarstellnng
befindet, lieber dem oberen Gesims ist j
die Wand noch einmal mit einem Halb-
kreisfenster gerade über dem Altarbild
durchbrochen, das ebenfalls ein neues Glas-
gemälde erhielt.

Die Darstellungsstoffe der beiden Lang-
fenster sind legendarischer Art und ge-
stalten demgemäß eine freiere, poesie-

»inlerei, ei» Unterfangen, welches durch das
klägliche Ergebnis der »ach dieser Richtung unter-
nommenen versuche e»dlich genügend ad absurdum
geführt sei» könnte. Ich »wchtc de» Satz auf-
stelle» : Das Unzulässige ist versucht,!

»> o i »i F e n st e r b i l d die s k o u st r »k t i v e
E l e »i e »l als etwas aufdringlich Stö-
rendes empfunden wird." Festgabe für
Friedr. Schneider, Studien aus Kunst
und Geschichte, Freiburg (Herder), 3 906, S. 474 f.

’) Unsere Abbildungen sind hergestellt nach
Photographien, die von, Karton abgenoninien
wurden, nicht uou den fertigen Fenstern. Daher
ist die Eisenarinntur und Verbleinng darauf nicht
zu erkennen.

vollere Behandlung und ivie in den kirch-
lichen Tagzeiten, welche den dargestellten
Geheimnissen gelten, die Poesie ihren
lieblichsten Duft entfaltet, ihre schönsten
Bilder entrollt »üb zu reinster religiöser
Lyrik.sich steigert, so darf es in ange-
»lessener Weise auch in den entsprechenben
künstlerischen Darstellungen der Fall sein.

Das linke Fenster stellt dar den Tod
Mariä. — ZweiHanptgrnppen sind zu
unterscheiden: nuten (auf Erden) ruht
Mariens Leichnam im weißen, silbern
schimmernden Gewände ans dem Sterbe-
bett, das die Scene vollständig durch-
quert und etwas hart die sonstige Vertikal-
tendenz dnrchschneidet. Die Tote hat die
Hände kreuzweise ans der Brust zusammen-
gelegt. Um ihr Haupt legt sich ein aus
der barocken Metallknust entlehnter, von
einem Sternenkranz itinsänmter Heiligcn-
! schein. Die Gestalt der seligsten Jnng-
- frau ist ganz jugendlich. Das läßt sich
im Hinblick auf die Sündelosigkeit Mariens
durchaus rechtfertigen, obivohl mittelalter-
liche Glasgemälde, wie z. B. zu Xanten,
der Sterbenden unbedenklich einen matro-
nalen Ausdruck geben.

Uni den Leichnam herum stehen in frei
symmetrischer Gruppierung, teils weinend,
teils in stummer, sinnender Trauer, teils
wie in ekstatischem Schauen den Blick nach
oben richtend, sechs Apostel: Petrus in
den Farben der bischöflichen Kleidung mit
Rituale und Aspergill nimmt teilnahms-
voll eben die Aussegnung vor. Ein siebter
Apostel hat sich auf ein Knie nieder-
gelassen ; er hält die Kette des Ranch-
sasses in der Hand, das vor ihm steht.
Die Farbenzusammenstellung dieser unteren
Gruppe ist überaus lebhaft und wirksam:
von beut Hellgrün des linken Apostels
durch das rötliche Violett bei Petrus, zit
de»l Dunkelgrün und Rotbraun bis zu
dem Hellblau, in das der iveinende Apostel
mit dem Stab gekleidet ist. — Kräftig
schließt dann nach links vorn das hell-
leuchtende Rot und Gelb des knieenden
Apostels ab.

In der oberen Scene (im Himmel)
erblicken wir Gott Vater in herrlich aus-
leuchtendem Sonnenglanz (prachtvolles
Silbergelb!) mit rauschendem grünem
Mantel, aus den Wolken herniederblickend
und die Arme ausbreitend, um die Seele
 
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