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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 3
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Der Dom von Lund, [1]: aus einem Vortrag über Erinnerungen von Nordlandfahrten
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0036

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30

großen Apostels des Nordens, S. Ans-
gar, des ersten Erzbischofs von Hamburg
und Legaten für Dänemark, Schweden
und dem übrigen Norden') (durch Papst
Gregor IV. 831), ward es nach des
Dänenkönigs Knuts d. Gr. nicht ganz
realisierter Absicht zum Mittelpunkt der
drei vereinigten nordischen Reiche er-
bosten, indes blieb es in dieser kirchlichen
Zeutralbedeulung nur bis 1162, dem
Beginn der Negierung Friedrich Barba-
rossas, erhalten, eine kurze Zeit, „aber
es war eine Zeit freudigen Schaffens und
viel versprechenden Wachstums, ein wahrer
Frühling für das kirchliche Leben", es
war die Glanzzeit einer Provin-
zial stadt, wo der Erzbischof von Lund
Bischöfe für den ganzen Norden weihte,
selbst für das ferne Island und für das
feit dein zehnten Jahrhundert schon christia-
nisierte Grönland. In diese Glanzzeit
des jungen Christentums, am Anfang
des 12. Jahrhunderts, fällt der Bau
der herrlichen, heute noch allgemein nn-
gestaunten Kathedrale. Eingeweiht
wurde sie am 1. September 1145 unter
Erzbischof Es kill, dem hervorragenden
Kircheufürsteu, der aus der Geschichte un-
seres ersten Hohenstausenkaisers Friedrich
Barbarossa bekannt ist; er war der un-
mittelbare Vorgänger des berirhmten
herrschgewaltigen Primas A b s a l o m (Axel),
der von Lund aus eine Burg ans dem
Boden des heutigen Kopenhagen gebaut
und so als der Gründer der jetzigen
dänischen Königsstadt gefeiert wird. Sein
Standbild, ganz im bischöflichen Ornat,
schmückt die -Fassade des neuen herrlichen
Rathauses der Residenz.

Unter ESkill von Lund 1245 ist also
dieses herrliche Baudenkmal aus so alt-
ehrwürdiger Vorzeit vollendet. In seiner
alten Schönheit und Würde prangt es,
seit der Mitte des letzten Jahrhun-
derts wieder hergestellt, eine Zierde deS
ganzen Reiches, der Stolz der Land-
schaft, in welche die Zwillingstürme hoch
iveitschauend hineinragen.

Sehen wir ihr genau ins Auge, dieser i)

i) S. Ansgars, des ersten Glanbensboten, i
Denkmal steht links vor der herrlichen Fassade
der Marmorkirche in Kopenhagen, pietätvoll anf-
gestellt, rechts das des dänischen Lnther, des
Reformators Hansen.

anmuligen Tochter des Nordlandes! Bald
sollen wir ihrem Ebenbild auf heimat-
lichem Boden begegnen, vom Gestade des
nordischen Meeres an den schwäbischen
Neckarstrand versetzt, das in we-
nigen Umrissen nur der verehrte Ober-
hirte unserer Diözese in seinem neuesten
herrlichen Werk gezeichnet, ehe es sich in
der Bischofstadt in ähnlicher Gestalt er-
heben soll.

Romanisch ist der Stil des Lnn-
der Doms, ivie schon der erste Blick auf
dieses Juwel romanischer Baukunst in
Schweden zeigt, auf viele reiche Rnnd-
bogen in Schiff und Chor, Türmen und
Fassade, wie auch das Jahrhundert sei-
ner Geburt beweist. „Zwangsan leihe"
hat nach eigenen Worten der hohe Bau-
herr bei jenem Stil der Vorzeit vorneh-
meu nlüssen, dessen Blütezeit von ca. 1000
bis 1200 reicht; es ist jener erste selb-
ständige Stil der ch r i st l i ch e n Bau-
kunst, der nach unseres Bischofs Worten
(S. 299) Dome gebaut hat, welche heute
noch, selbst von Nichtkatholiken als stei-
nerne Zeugen einer der größten Perioden
unserer Geschichte, als Zeugen unserer
Einheit, Macht und Herrlichkeit, als Mark-
steine einer großen Zeit bewundert und
gerühmt werden, der auch unser Land
init einer stattlichen Reihe von Monu-
menteu, Kirchen und Abteien besetzt (Al-
pirsbach, Maulbronn, Ellwangen, Lorch,
Gmünd, Weinsberg, Oberstenfeld, Murr-
hart u. a.)'); es ist der romanische Stil, den
die auch durch das Heidentum nicht gebro-
chene germanische Volks kraft aus sich heraus
gebildet. Da sie erstmals von der über-
natürlichen Kraft des Christentums be-
fruchtet wurde; ihn hat das germanische
Gemüt aus sich herausgeboren, da es
erstmals bis in den Grund durchdrungen
und erschüttert wurde voll dem beugen-
den Ernst der christlichen Wahrheit. In
diesem wuchtigen Lapidarstil schreibt und
spricht der germanische Volkscharakter,
befreit von der Geistesmacht und dem
Seeleudruck des Heidentums, getroffen
vom Licht- und Gnadenstrahl des Chri-
stentums zum erstenmal sein Credo in
die Welt- und Kunstgeschichte.

H Besondere Hervorhebung auch wegen ihrer
ähnlich große» Krypta verdient die romanische
Kirche in Deukeudorf bei Eßlingen.
 
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