Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

DOI issue:
Nr. 4
DOI article:
Der Dom von Lund, [2]: aus einem Vortrag über Erinnerungen von Nordlandfahrten
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0044

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
gearbeitete Werk: „das malerische Schwe-
den", die ganze historische und kunstge-
schichtliche Ausführung erspart. Je nenn
Pfeiler trennen das Mittelschiff von
den beide» niedrigeren und engeren Seiten-
schiffen. Es gilt auch von diesem ro-
manischen Tempel: „Der weite hohe Raum,
durch die von mächtig aufstrebenden Pfei-
lern getragenen Gewölbe harmonisch nach
oben abgeschlossen, machen einen ungemein
erhabenen Eindruck. Die reich geglie-
derten Pfeiler erscheinen durch die Ge-
wölbegurten wie durch ein Netzwerk ver-
bunden, unwillkürlich wird der Blick auf-
wärts und durch die Vogenbewegung
der Rippen fortgeleitet, bis er in der
Halbrnndung des Chores über bem Hoch-
altar einen Ruhepunkt findet. Das mäßige
Licht, welches durch die wenigen und
kleinen Fenster dringt, erhöht noch den
Ernst dieser Räume heiliger Ruhe und
stiller Weltabgeschiedcnheit". (Hartmann,
Stilkunde S. 98.) Einzig imposant ist,
was ich nach meiner Kenntnis fast noch
nirgends in so glücklicher Vereinigung
edelster architektonischer und liturgischer
Wirkung angetroffen habe, die Stufeu-
a nlage in der Kreuzung von Lang- und
Querschiff und Chorabschluß.

In 17 Stufen steigt man vom Lang-
schiff zum Querschiff; zwei weitere führen
zum Chor und wieder drei zum Hochaltar
hinauf. Diese für die Feier des Ponti-
fikalgvttesdienstes ausnehmend günstige An-
lage ist eine nwhltätige Folge des ge-
waltigen Unterbaues, der darunter befind-
lichen einzig merkwürdigen K r p p t a. Die
Gewölbe im Innern sind mit Dar-
stellungen aus dem Alten und Neuen
Testament ans reichem Goldgrund sehr
geschmackvoll ausgeschmückt. Die W ä n d e
tragen da und dort in einigen teils histori-
schen, teils stadtbürgerlichen späteren Er-
innernngsbildern (wohl aus der Renais-
sancezeit) zweifelhaften Schmuck. Der
Altar an so hochragender Stelle, ein
unförmlicher Steinsockel mit leerem Kruzi-
fix, die öde Leere int weiten Chor da-
hinter, die trauernde Schmucklosigkeit der
Wände bekunden den schmerzlichen Wechsel
der Zeiten, des Glaubens. Und doch
erglänzte einst diese Kathedrale im
Schmuck von 60 Altären, die allmählich
bei dem weiteren Ausbau und weiterer

Ausschmückung des Domes errichtet wur-
den. Der glänzendste war der Haupt-
altar, gestiftet von Frau Jda Peters-
vetter in Gladsec, mit zwei großen Sta-
tuen der Muttergottes und des Patrons
der Kirche, des hl. Laurentius, und mit
40 kleinen Heiligenbildern unter ebenso
vielen zierlichen gotischen Baldachinen,
mit Goldgruudgemälden an den Flügeln
des Altars. Von diesem großartigen ver-
schwundenen Meisterwerk vermag ich mir
etwa ein Bild zu machen, wenn ich au
den glücklich erhalten gebliebenen Hoch-
altar in der jetzt protestantischen herr-
lichen Marienkirche in Prenzlau in der
Mark Brandenburg denke und andere, die
geraubt in Museen noch zu sehen sind, an
profanen Stätten. All die herrlichen K u n st-
schätze im Inner», die man beim Aus-
bruch der Reformation in Schweden dem
Volke nicht sogleich zu rauben wagte,
fielen erst im Jahre 1561 dem Vanda-
lismus einer Predigerversammlung zum
Opfer, die die Bilder alle aus dem Dom
entfernen ließ, und nach 20 Jahren war
alles bis auf die leeren Bänke (ca. 1585)
ausgefegt. Wer erinnert sich nicht au
die Schicksale des Ulmer Münsters, dessen
einst vernichtete herrliche Bildiverke mo-
derne Künstlerhand ganz vergebens durch
neue ersetzt: Abfall vom Glauben be-
deutete vielfach einen Abfall von der
Kunst; und Jahrhunderte vermögen nicht
den Schaden jener reformatorischen Bilder-
stürmerei in den nordischen und südlichen
Ländern gutzumachen. Das verkündete
vor Jahren auch aller Welt das auf-
sehenerregende Buch „Rembrandt als Er-
zieher" von einem Deutschen.

Erhalten geblieben ist teiliveise nur
das Chorgestühl mit dem bischöf-
lichen Throne in der Mitte, im äußersten
Zentrum (des Chorabschlusses) der Apsis,
eine herrliche Arbeit mit einer Fülle sinn-
reicher Figuren und Reliefs, zum Teil
humoristischer Neckereien, die die Fehler
der Kanoniker beim Chorgebet spmboli-
sieren; ähnlicher Sarkasmus wie z. B.
in dem Chorgestühl im nahen Heiligkreuz-
tal auch zu sehen und erst recht vor
Kurzem von einem Berner Kunsthistoriker
Wilhelm Spieß beachtet und ausgenommen
worden ist; es ist der einzig Gerettete
ans dein allgemeinen Ruin.
 
Annotationen