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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 5
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Groner, Anton: Die Capitani der Medicigräber Michelangelos
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0054

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setznngsloS die Deutung zu versuche».
Wie beim Allegorienzyklus haben wir
auch bei diese» beide» Gegenstücke» auf
die gemeinsame» und die gegensätzliche»
Merkmale zu achte». Zwei Helden in der
Blüte ihrer Jahre — von Michelangelo
in seinen Briefen stets Capilani > niemals
Duchi) genannt, was ebensogut den
Staats- als den Kriegsobersten bezeich-
nen kann — sitzen einander gegenüber in
antiker Feldherrntracht, wie die römischen
Kaiser ans den Monumenten häufig dar-
gestellt sind. Sie sollen damit charakterisiert
werden als Herrscher in Krieg und Frieden.
In der gleichen Rüstung hatte Raffael ans
einer der Tapeten l Sockel des Fischzugs)
die weltliche Herrschaft des Papstes per-
sonifiziert. Die eine der beiden Gestalten
ist baarhäuptig, die andere behelmt, offenbar
nur aus dem rein künstlerischen Bestreben,
den freien Blick in die Ferne hier und
das tiefe Nachdenken durch Beschatten des
Antlitzes dort zu plastischerer und auffal-
lenderer Wirkung zu bringen. Der eine
Herrscher hält in beiden Händen einen
Kommandostab und in der Linken dazu
eine Münze, das Symbol seiner materiellen
Macht. Dem Kommandostab entspricht
beim anderen eine künstlerisch verzierte
(Geld-) Kassette, auf welche er den linken
Arm ausgestellt hat; in der linken Hand,
die das Kinn stützt, hält er einen wohl-
gesüllten Geldbeutel und in der Rechten
noch eine Münze. Die Gegensätze führen
eine beredte Sprache: die beiden Capitani
stellen einen Herrscher vor, der seine Macht
dazu benützt, sich mit unsterblichem Kriegs-
rnhm zu bedecken, und einen andern, der
darauf sinnt, mit seinen reichen Mitteln
durch Werke des Friedens seinen Namen
zu verewigen, «inen ruhmreichen Kriegs-
und einen unsterblichen Friedensfürsten,
oder vielmehr den idealen Herrscher in
Krieg und Frieden, einen für alle Zeiten
gültigen Fürstenspiegel.

So bergen auch die Capitani zwar kein
Geheimnis, aber sie verkörpern eine ein-
fache, tiefe, michelangeleske Idee. Diese
ist unmittelbar von dem Aeußern des
Kunstwerks abzusehen, wenn wir uns ein-
mal in die gedrungene, jedes entbehrliche
Wort vermeidende, und dabei doch klare
Formensprache eingelesen haben, den Gegen-
satz der Figuren beachten und ihre Embleme

nicht übersehen. Michelangelo ist auch
hier ohne Vorgänger und ohne "Nachfolger.
Es ist selbstverständlich, das; solche Wun-
derwerke nicht auf einmal in ihrer Voll-
endung der schöpferischen Phantasie des
Künstlers entsprungen sein können, wie
etwa die gewappnete Athene dem Haupte
des Zeus entsprang. Wir sind sogar in
der glücklichen Lage, gerade hier an den
erhaltenen Skizzen das allmähliche Werden
der Idee zu verfolgen.

Die Ergänzung des künstlerischen Plans,
der in den heutigen Knnstiverken der
Medicikapelle nur teilweise verwirklicht
ist, gehört zu den interessantesten Problemen
der Michelangelo-Forschung. Die Kor-
respondenz und die erhaltenen Skizzen des
Künstlers ermöglichen die Rekonstruktion
mit annähernder Sicherheit. Jedenfalls
ist die wichtige, für diese Frage grund-
legende Tatsache, das; sich Michelangelo
von Anfang an die Grabkapelle mit allen
ihren Bildwerken als ein einziges Gesamt-
kunstwerk dachte, mit Sicherheit darzutun.
Nach Aufgabe des im Jahr 1520 geplanten
gemeinsamen Freigrabs umfaßte dieses
Gesamtbildwerk von Anfang an (seit 1521)
drei Wandgräber, nämlich ein Doppelgrab
mit zwei Sarkophagen für die älteren
Magnifici (an der Rückwand) und die
beiden Einzelmonumente für die Herzoge
(an beiden Seitenwänden). Bon diesem
Plan ist Michelangelo die langen Jahre
der Arbeit niemals abgegangen, auch nicht
bei der Krisis der Jahre 1524—25, al§
man von ihm verlangte, in der Kapelle
noch zwei Papstmonnmente unterzubringen.
(Wir werden hierüber an anderer Stelle
eingehender handeln.)

Eine frühe Skizze für das Magnifici-
Doppelgrabmal (Burger, Studien zu
Michelangelo, 1907, S. 35 f., Abb. 6
und 7) zeigt neben der den Sitzfiguren
der Herzogsgräber entsprechenden Madonna
zwei bisher unerklärliche symmetrische Sce-
ne» skizziert, die wohl im Relief ausgeführt
werden sollten. Beiderseits erblicken wir
in der Milte einen Baum, davor einen
bärtigen Mann, der links seine Violine
spielt, rechts mit dem Instrument auf dem
Schoß ruhig dasitzt. Zn seinen beiden
Seiten unter dem Baum stehen zwei Frauen,
die eine in wallendem Gewand, die andere
anscheinend vollständig unbekleidet, die beide
 
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