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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 8
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Mayer, Franz Xaver: Der Umbau der Dreifaltigkeitskirche in Ludwigsburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0094

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auch Zeit, welche auf Abbürste» des Kalkanstriches
und Wiederbestreiche» aufgewendet werden mußte.
Der Rohbau des Chores wurde int Herbst 1905
aufgeführt, die äußere Instandsetzung und die
Inneneinrichtung im Jahr 1905.

Das Innere macht einen vornehmen, farben-
reichen Eindruck, das Verdienst der Bemalung
durch H. Hofdekorationsmaler N a ch b a u e r. Der
Plafond des Schiffes ist durch Rahmen in
Stuck, mit Gold aufgelichtet, in Felder geteilt,
welche mit Bildern in Tempera versehen wurden.
In der Mitte sehen wir Christus als guten
Hirten, mit einem Lamm auf dem linken Arm
und mit dem Hirtenstab in der rechten Hand,
gefolgt von einer Herde Schafe, lieber der Orgel-
empore ist die hl. Cacilia, die Patronin der
Sangeskunst, die Orgel spielend dargestellt; vor-
wärts denr Chor zu der Diözesanpatron M a r -
tinus, seinen Mantel für einen Armen mit dem
Schwerte teilend (letztere 2 sind Halbbilder) und
endlich nahe dem Triumphbogen Agnus Dei
auf dem versiegelten Buch. Die Hohlkehle unter
dem Plafond ist mit Symbolen der Evangelisten,
der Dreieinigkeit und Gottheit überhaupt verziert
(rot in Rot).

Im Chor wurde als Hauptbild die Taufe
Jesu in das Rabitzgewölbe (aus Drahtnetz, Gips,
Kalk, Sand, Leim und Kälberhaaren) aufgemalt
als Offenbarung aller 3 göttlichen Personen (Thev-
phanie). Als Nebenbilder sind die 4 lateinischen
Kirchenväter abgebildet. Hiebei würden wir die
in der romanischen und gotischen Zeit beobachtete
Einhaltung der hierarchischen Ordnung gewünscht
haben: nämlich Papst Gregor auf der Ehrenstelle:
rechts vom Altar (Evangelienseite), links vom
Altar: Kardinal Hieronymus: rechts vom Papste:
Erzbischof Ambrosius und links vom Kardinal:
Bischof Augustinus. Mag auch der Ausdruck tut
Gesicht der Kirchenväter etwas hart und herb,
ihre Arme, Hände und Finger eigen, zu lang,
die Gestalt des Aszeten Johannes Baptist« in
seiner Kleidung von Kamelhaaren zu voll, der
Hals der Cäcilia etwas lang, die Köpfe der Schafe
nicht natürlich und die Figur des guten Hirten
manchen etwas gedrungen erscheinen, so erhält
dafür die Ornamentmalerei der Decke und Seiten-
wände volles und uneingeschränktes Lob sowohl
was die Farbenstimmung als den Reichtum der
Ornamente, Stil derselben und Einhaltung der
Regeln für Kirchenbemalung betrifft. Hier zeigte
sich der Maler in seinem Element als Maler der
Spätstile. Der Sockel ist an den Wänden des
Schiffes dunkelblaue Marmorimitation; die tra-
genden kräftigen Teile der Wände, die Lisenen
rote Marmorimitation; die Flächen der Wände
zeigen Ornamente, wie auch die Fensterumrah-
iiiungen und -Leibungen. Im Chor herrscht an
den Wänden der grüne Ton vor: grüne Mar-
morimitation in den Lisenen und Sockel, in
Verzierungen und Grundton des Gewölbes. Die
Bemalung kostete 7000 M.

Die Fenster im Chor sind aus Kathedral-
glas. Das Mittelfenster im Chor soll die Stelle
des Altarbildes vertreten und ist eine Nachbil-
dung des „Gnadenstuhles" von A. Dürer (cfr.
Dreieinigkeitskirche), während die beiden Neben-
fenster nur eine ornamentale Einfassung erhielten.
Die Fenster des Schiffes scheinen uns zu mager

an Ornamenten, zu arm im Vergleich zur reichen
Bemalung und Innenausstattung der Kirche.
Sie haben nämlich bloß oben eine Verzierung
in Farben (Kranz und Guirlande) und ein kaum
sich bemerkbar machender farbiger Glasstreifen
umzieht das ganze Fenster. Viel Licht lassen die
Fenster in das Innere der Kirche fallen.

Dasselbe ist mit elektrischem Licht ver-
sehen : in dem Chor, links und rechts vom Altar,
am Triumphbogen, an den Seiten der Kirche
zwischen den Fenstern, an der Brüstung der Em-
pore und aus derselben sind je 3 Birnen an
schmiedeisernen vergoldeten Wandlenchter» (hinter
der Orgel und bei beiden Beichtstühlen je eine
Birne). Die Einleitung des elektrischen Stromes
wurde zu spät beschlossen, so daß der Verputz
der Mauern ringsuni durch die ganze Kirche für
die Leitung wieder weggehauen und nach Ein-
legung der Stroinleitnng aufs neue angebracht
werden mußte. Praktische Elektrotechniker hätten,
wie wir hörten, die Leitung besser auf dem Ver-
putz angebracht gesehen; denn es hätten leichter,
ohne irgend eine Zerstörung, etiva durchgebrannte
Leitungsdrähte ersetzt werden können; auch wäre
der Erdstrom, welcher in der Wand von Ge-
bäuden nicht ganz zu vermeiden sei trotz Isola-
toren, verhütet worden?)

Die Empore ruht auf gußeisernen Säulen,
welche durch Rabitzverkleidung verstärkt und schwarz
mit gelben Adern marmoriert wurden. Die Brü-
stung der Empore ist im blauen Ton gehalten
mit vergoldeten Rosetten und Verzierungen. Zu
derselben führten in der Bauzeit eiserne Wen-
deltreppen, welche schon mit Rabitzwand ver-
kleidet waren. Sie wurden als zu schmal er-
funden, da aus der geräuinigen Enipore auch
Betstühle aufgestellt sind und wurden daher wieder
entfernt und durch breitere hölzerne ersetzt, wo-
durch auch mehr Licht von Westen unter die Em-
pore geleitet werden konnte.

In der Innenausstattung, in den Altären und
Chorgesttihle in der Kanzel, Kommunionbank,
Beichtstühlen von H. S ch n e l l i n R a v e n s b u r g,
hat ein eigenartiger nwderner Stil seinen Ein-
zug in die katholische Kirche hier gehalten, über
dessen Berechtigung oder Nichtberechtigung wir
kein Urteil fällen wolle». Der Hochaltarauf-
b a u fügt sich als Segment eines Kreises in den
halbrunden Chor ein; diesem Segment ist ein
mächtiger Tabernakel mit UxpositionstUronus
und Baldachin mit den Symbolen der Evange-
listen vorgelegt: also eine Verbindung von Kreis
und Quadrat. (Grundriß: Quadrat oder Recht-
eck im Kreissegment.) Die Frontfläche der Seiten-
teile enthalten Werke der plastischen Kunst, auf
der Evangelienseite: Brotvernichrung 7 Rund-
figuren, in der Mitte Christus, die Brots, welche
ein knieender Knabe darreicht, lind Fische segnend;
auf der Epistelseite: Wasseroerwandlung zu Kana:
Christus segnet die Wasserkrüge vor deni Hoch-
zeitstisch, in welche ein Knabe Wasser eingießt,
8 Vollfiguren etwa in halber Größe, gefaßt, die
Gesichter vorzüglich individualisiert. Der Bräu-
tigam, welcher seiner Braut eine Rose hinhält,
mit deni neumodischen Schnurrbart (Enden auf-

') Vgl. dazu „Archiv f. christl. Kunst" 1907
Nr. 5 S. <>4.
 
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