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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 11
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Baur, Ludwig: Neue Krippendarstellungen in der Kirche, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0118

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herausgegebeu und redigiert von Professor Or. Ludwig Baur in Tübiuge».

Verlag des Aotteuburger Diözesan-Kiiustvereius;
1>oinmisslo»svcrlaa von Friedrich Alber in Ravensburg.

Jährlich 12 Nummern. Preis durch die Post halbjährlich M. 2.05 ohne
TT Bestellgeld. Durch den Buchhandel sowie direkt von der Berlagshandlnng IQ07
Friedrich Alber in Ravensburg pro Jahr M. 4.10. S ‘ ’

Neue Krippendarstellungen in der
Kirche.

Von Prof. Or. L. Baur, Tübingen.

I.

Useuer Hut einmal in seinen religions-
geschichllichen Untersuchungen den Aus-
spruch getan: „Die Krippe des Evan-

gelinms ist die Wiege alter Poesie gewor-
den, womit Glaube, Kunst und Dichtung
im Wettstreit die heilige Nacht verklärt
baden." Darin liegt in der Tat die
Legitimation der Krippendarstellungen. Es
war schon ein erheblich geringeres Plä-
doyer zu Gunsten derselben, das ein Augs-
burger Verseschmied des 18. Jahrhunderts
im Stile des Biedermanns in folgende
Reime faßte:

„Um diese Zeit ist der Gebrauch,

Daß man besucht die Krippteiu auch.

Da kau» mau Wiegenliedlein hören,

Gejchicht 's Jahr einmal: wer wollt' es wehren?"

Anders freilich dachle der „Churfürstlich
fränkische General - Land - Commissarius"
von Banrberg, der am 4. November 1803
folgenden Erlaß auf die getreuen Unter-
tanen „herabfließen" ließ:

„Sinnliche Darstellungen gewisser Neligious-
begebenheiteu waren nur in einem solchen Zeit-
räume nützlich oder gar notwendig, in weichem !
es au geschickten Religionsdicnern fehlte, die
Unterrichtsanstalten noch sehr litten und ganz
mangelhaft waren, und das Volk noch auf einer
so niedrigen Stufe der Kultur und Aufklärung I
stand, das; man leichter durch Versinnlichung der
Gegenstände als durch mündlichen Unterricht und !
Belehrung auf den Verstand wirken und den,
Gedächtnisse nachhelsen konnte. Zu diese» sinn-
lichen Darstellungen gehören die sogenannten
Krippen, durch ivelche die Geschichte der Geburt
und einiger anderer Begebenheiten aus deni Leben
unseres Heilandes anschaulich gemacht werden
wollten.

Da die Einwohner der fränkischen Provinzen
seit geraumer Zeit so weit in der religiösen Auf-
klärung fortgeschritten und die Unterrichtsanstalten
schon lange dahin gediehen sind, daß es solcher
Vehikel zur religiösen Aufklärung und Belehrung
nicht mehr bedarf; da die Krippen meistens schon
abgeschafft sind und die nur noch in einigen
Kirchen beibehaltenen lediglich kleinen Kindern
zum Vergnügen dienen können, so werden die
Beamten (!) und Pfarrer augeiviesen, die Auf-
stellung der Krippen in den Kirchen ihrer Amts-
und Pfarrbezirke, wo sie bisher »och üblich war,
künftig nicht mehr zu gestatten." ')

Der Foll ist nicht vereinzelt, er ist viel-
mehr typisch für eine ganze Reihe ähn-
licher Fälle, in denen gleichfalls „der
Polizist znm religiösen Volkserzieher" pro-
moviert wurde. Die öde Langweile nnver-
fälschter Bnreanphilisterei gähnt nns aus
diesem Schriftstück entgegen.

Das darf uns indessen nicht darüber
hinwegtänschen, daß derartige Verfügungen
auch eine berechtigte Seite an sich halten,
wenngleich sie weit über das Ziel hinans-
schossen.

Die Krippe und das Krippenspiel waren
zweifellos entartet. Nicht selten trat
Trivialität und Skurrilität an Stelle des
religiösen Ernstes, die ihre Parallele etwa
an der Art Sebastian Sailers, religiöse
Stoffe dramatisch zu behandeln, hatte.

Gegen die Aufstellung von Krippendar-
stellungen in der Kirche ist an sich nichts
einzuwenden: sie hat sich hier nicht nur
ein historisches Existenzrecht erworben, son-
dern auch sachlich läßt cs sich wohl recht-
fertigen, daß in der Kirche Darstellungen
von heiligen Szenen aufgestellt werden,

') Neg.-Blatt für d. churpfalz-baycrischeu Fürsten-
! tümer in Frauken 1803 S. 277. Zitiert nach 0!.
I Hager, Die Weihnachtskrippe 1002 S. 37.
 
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