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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 1
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Baur, Ludwig: Katholische Kirchenkunst und moderne Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0011

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modernen Künstlers erfolgt in einer Weise,
die einen Znsannnenhang mit den Be-
dürfnissen kirchlicher Kunst jedenfalls nicht
in hervorragender Weise erkennen läßt.
Ans den Akademien ist die Gelegenheit,
mit den Prinzipien kirchlichen 'Kunst-
schaffens vertrant zu werden, nicht durch-
aus genügend. Der Künstler orientiert
sich gegebenenfalls darüber aus Fachzeit-
schriften und hier im wesentlichen eben
unter dem Gesichtspunkt seiner Fachkunst.
Es fehlt ihm leider bänfig der innerste
Kontakt mit dem Geiste deS kirchlichen,
speziell des liturgischen Kunstschaffens.
So tritt er vielleicht innerlich fremd an
seine Aufgabe heran. „Der Mangel an
plastischer Lebendigkeit des Glaubens aber,"
sagt Führich, „lähmt sowohl die Glaubens-
tal als die Glaubensknnst." — Daraus
allein schon ist zil ermessen, was es be-
deuten würde, wollten wir den Grundsatz
proklamieren, die kirchliche Kunst nun
ganz und gar der zünftigen Künstlerschaft
zu überlassen und einfach hinzunehmen,
was sie uns zu geben beliebt. Es bliebe
uns dann höchstens noch die Aufgabe, in
pflichtmäßigem Staunen ihren Werken die
Kränze unserer Bewunderung zu flechten.
— Dadurch würde ein Zustand herbei-
gcführt, der geradezu den Lebensinteressen
der kirchlichen Kunst zuwider wäre; das
wäre die Hereintragung des formalistischen
„l’art pour I'art"-Standpunktes in die
kirchliche Kunst. Das würde uns zu aus-
schließlicher oder mindestens vorwiegender
Betonung des Formalkünstlerischen, der
technischen Kunstgriffe führen, zur Aus-
einandcrreißung von Gedanke und künst-
lerischer Form, von Theologie und Kunst.
Das würde uns hinführen zur Miß-
kennung des Zweckes, dem die Kunst
innerhalb der Kirche zu dienen hat, des
Charakters, den sie im Gotteshanse an sich
tragen muß, der Gesetze, denen sie sich
hier nnterznordnen hat.

Wir können diefe Grundsätze in einige
leitende Hauptsätze zusammensassen. Aber
wir müchlen dazu gleich von vornherein
bemerken, daß wir diese mehr im Sinne
von Aufgaben, die dem Künstler damit
gestellt werden, betrachten, für die Art der
Durchführung aber nicht präjndizieren.
Es liegt uns nichls ferner, als General-
rezepte für die christliche Kunst zu geben.

Nicht die schöpferische Persönlichkeit deS
Künstlers und ihr Recht soll irgendwie
beeinträchtigt, nicht die technischen und
formalen Fortschritte neuzeitlicher Kunst
wollen mit unseren Ausführungen gehemmt
oder gemeistert werden, sondern das Ge-
biet, dem sie sich zuwenden, der Inhalt,
den sie vorfinden und innerlich bewältigen
sollen, möchte in seiner künstlerischen
Eigenart und seinen aus dieser resultie-
renden Ausorderungen dargestellt werden.
Daß die künstlerische Gestaltungskraft und
Form dem großen geistigen Gehalt der
Religion entsprechen soll: das ist unser
Gedanke.

1. Die kirchlich-religiöse K un st
i st i h r e in w e s e n t l i ch e n C h a r a k t e r
n a ch I n h a l t S k u n st, Gedanken-
kunst, bei der es ans das Objekt, das
! zur Darstellung gelangt, auf die Idee,
die das künstlerische Produkt in die Er-
scheinung treten lassen soll, nicht minder
ankounnt, als auf die Form, in der das
geschieht, aus die Ansdrucksmittel, die
verwendet werden, und endlich auf die
Stiiumung, die dadurch erzielt werden
s soll oder kann. Damit sprechen mir
keineswegs eine der kirchlich-religiösen
Kunst nur äußerlich angeklebte Zweck-
beziehung aus, sondern dies liegt im
tiefsten Wesen der kirchlich-religiösen
Kunst; daS bedeutet keineswegs eine
Einengung ihrer freiheitlichen Regungen
und ihres Könnens, sondern die Absteckung
würdiger nnb bedeutungsvoller Ziele.

Die moderne Kunst möchte vielfach den
Inhalt als Nebensache ansehen. „Da
vor der Phantasie der modernen Mensch-
heit keine klar umschriebenen Ideen stehen,"
schreibt Strzygowski (a. n. O. S. 210),
„fehlen in ihr Gestalten, d. h. der Künstler
findet in ihr nichts Greifbares vor. Es
ist ein Sehnen und Drängen ins llnbe-
stimmte; es sind verschwommene Sliin-
mungeu, denen der Künstler überall da
begegnet, wo sonst ein ganz ausgeprägtes
Glauben, Hoffen und Lieben ihm entgegen-
kommend wirkte."

In der Tat sieht eine weitverbreitete
Richtung der Knnstäfthelik das Wesen
der Kunst in der Illusion der Wirklich-
keit, in der phantasiemäßigen Erzeugung
eines Gefühls, einer Stimmung, einer
! Kraft, einer Bewegnugsvorstellung.
 
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