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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 3
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Lange, Konrad von: Die Stuppacher Madonna Grünewalds
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0036
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26

Worauf Maria sitzt, sieht mau nicht
recht. Wahrscheinlich auf einer Steiubauk
oder auf der niedrigen Steinbrüstnng,
die den vorderen und Hinteren Teil des
Gartens voneinander scheidet. Links steht
auf einer Steinplatte eine weiße Schüssel,
in der ein Korallenpaternoster liegt, da-
neben ein farbiger, wahrscheinlich glasierter
Henkelkrug. Rechts sieht man einen
Blumentopf, in bem weiße Lilien, Rosen
und Margeriten stecken, dahinter einen
zweiten mit einer mir unbekannten Blume.
Mehrere Feigensträncher mit grünen Feigen
werden links und rechts weiter zurück
sichtbar. Den Hintergrund rechts bildet
eine gotische Kirche, die ihr nördliches
Querschiff, einen zweischiffigen Bau mit
Freitreppe, dem Beschauer zukehrt, so daß
der links davon befindliche Chor mit
seinen Strebepfeilern nahe an den Kopf
der Maria heranreicht. Links sieht man
einen Bienenkorbstand und eine Art
Schleuse oder Falle aus Holz, weiter
hinten ein deutsches Städtchen an einem
Walde, darüber Berge. Am Himmel tut
sich ans dieser Seite eine Glorie mit Gott
Vater auf, der Szepter und Weltkugel
in den Händen hält, umgebeil von flie-
genden Engeln, von denen zwei der Mutler-
gottes eine Krone bringen.

Das Ganze ist etwa in Lebensgröße
gehalten, 1,86 m hoch und 1,50 m (nicht
1,60 m, wie mehrfach gedruckt ist) breit.
Die Farben sind auf Leinwand ansge-
tragen, die auf Tannenholzbretter aufge-
leimt ist. Die Malerei schien mir zum
großen Teil Oelmalerei, doch wäre es
möglich, daß der Hintergrund in flüssiger
Tempera ausgeführt ist. Das Bild ist
im ganzen mindestens fünfmal restauriert
worden, zuerst vor 1844 (in welchem
Jahre Schönhuth in „Vorzeit und Gegen-
wart im Frankenland" das Bild zum
erstenmal beschrieb und dabei die starke
Uebermalnng hervorhob), dann 1850 von
Lamberti in Stuttgart, dann infolge der
Veränderungen, die die Farbschicht in den
Jahren darauf erlitt, 1854 von Meintet
aus Horb, der den gotischen Schnitzaltar
anfertigte, in dem es sich jetzt befindet.
Sodann 1881/82 von Fraidel in Söf-
lingen bei Ulm, endlich 1907 von Etile
in Ellwangen. Die Restaurationen sind,
wie es scheint, nicht sehr durchgreifender

I Art gewesen, sondern konnten sich im all-
gemeinen darauf beschränken, daß das
! Bild gereinigt, loSgebrochene Stücke fest-
^ geklebt refp. ausgekittet, der Firnis wieder
durchsichtig gemacht refp. erneuert wurde.
Nur ein Stück des Bildes, der Himmel
zunächst dem Kopfe der Madonna, ist er-
gänzt, wie es scheint von Fraidel, infolge
davon, daß in dieser Gegend einige Farb-
stücke herausgebrochen waren. Glücklicher-
weise erstreckt sich die Restauration nicht
über wichtigere Teile. Sonst hat Fraidel
die Madonna nur nach dem Pettenkofer-
schen Verfahren regeneriert.

Man kann also im ganzen sagen,
daß das Bild gut erhalten ist, jedenfalls
: sehr viel besser als etwa die beiden
Tauberbischofsheimer Gemälde in der
Großherzoglichen Gemäldesannnlung in
Karlsruhe, die durch wiederholte gründ-
liche Restauration sehr verdorben sind.
Man darf hoffen, daß die Gemeinde Stnp-
pach bei Restaurationen, die in Zukunft
nötig werden sollten — und sie werven ja
nicht ausbleiben —, mit größter Sorgfalt
verfahren wird. Auch höre ich zu meiner
Freude, daß die Kirche der Sicherheit der
Bilder wegen in Zukunft geschlossen bleiben
soll.

Was nun die künstlerische und kunst-
historische Bedeutung des Bildes betrifft,
so ist an der Urheberschaft Grünewalds, wie
ich aus eigener Untersuchung des Originals
bezeugen kann, nicht zu zweifeln. Der
Name ist, wie es scheint, zum erstenmal
1880 von dem Restaurator Dirr in Ulm
gelegentlich der Restauration durch Fraidel
genannt worden, und alte Leute des Dorfes
wollen sich noch erinnern, daß vor der
Restauration durch Meinte! 1854 der Name
(das Monogramm?) Grünewalds an einer
unteren Stelle des Bildes gestanden habe,
aber beim Einpassen in den zu klein ge-
ratenen Nahmen abgeschnitlen worden sei.
Doch will ich daraitf nicht zu viel Wert
legen. Neuerdings hat sich dann der
Kirchenmaler Eitle durch Vergleich mit
der „Kunstwarl"- Publikation der Jsen-
heimer Madonna von der Richtigkeit der
seit 27 Jahren bestehenden Dorstradilion
überzeugt. Für mich stand die Urheber-
schaft Grünewalds nach kurzer Untersuchung
des Bildes fest, obwohl mich das von
Grüneivalds Madonnentypns etwas ab-
 
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