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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 3
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Lange, Konrad von: Die Stuppacher Madonna Grünewalds
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0037

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weichende Gesicht der Madonna vorüber- [
gehend an einen bedeutenden Schüler,
etwa Baldung, denken ließ. Eine genaue
Untersuchung aus der Nähe überzeugte
mich aber sofort, daß das Bild seinen
hohen Qualitäten nach nur von Grüne-
wald selbst sein könne. Die herrlich
durchgeführte Landschaft, die wunderbar
pastose und fast impressionistische Behand-
lung der Goldornameme auf dem roten
Kleide, der fein bewegte Goldsaum des
Mantels, vor allem aber die fabelhast
lebendigen, fast etwas ans Manieristische
streifenden Hände, die genau so aus dem
Jsenheimer Altar wicderkehren, sowie die
flachsblonden pastös aufgetragenen Haare,
das sind Dinge, die eben nur Grünewald
selbst so gemalt haben kann.

Dabei handelt es sich nicht etwa um
einen Grünewald zweiten Ranges oder
um eines jener Jugendwerke, deren
Authentizität immer zweifelhaft bleiben
wird, weil sie eine starke Umgestaltung
des Stils bis zum Jsenheimer Altar
voraussetzen, sondern um ein ganz her-
vorragendes Werk aus der spätesten Zeit
des Künstlers. Das ergibt sich aus der
Abgeschliffenheit und Ausgeglichenheit der
Formen im Vergleich zu dem Jsenheimer
Altar. Die Stnppacher Madonna ist in
der Tat das formenschönste aller Grüne-
waldschen Bilder. Die etwas barocke
Häufung wulstiger Fallen, die der Künstler
sonst wohl liebt, hat einer abgeklärten
Ruhe Platz gemacht, die aber doch in
einigen Zügen an die frühere Zeit erinnert.
Das Gesicht ist gegenüber dem der Jsen-
heimer Madonna allgemeiner, typst eher,
weniger individuell. Es weicht bei aller
allgemeinen Aehnlichkeit doch in der Ab-
schleifung der herben realistischen Züge
!° '^ 1)011 jenem ab, daß, wer nur nach
der Photographie urteilt, leicht auf den
Gedanken kommen könnte, der Kopf sei
übermalt oder das ganze Bild nicht von
Grünewald selber. Aber bei genauerer
Analyse sieht nian doch, daß die Zeich-
nung, besonders die Art, wie Augen und
Mund, mehr andentend als ausführend,
wiedergegeben sind, ganz die Grünewalvs ist.

. Nur glaube ich, daß zwischen der Aus-
führung der Jsenheimer Madonna (um
1514) und dieses Bildes ein Bekannt-
werde» des Künstlers mit italienischer Kunst

angenommen werden muß. Und da man
schon früher vermutet hat, daß Grünewald
in seinen späteren Jahren in Italien,
speziell in Nom gewesen sei, so würde
sich daraus, wie ich glaube, nicht nur die
Vorliebe für Granaten und Feigen, son-
dern auch der unverkennbar raffaelische
Typus der Madonna erklären. So hätte
also selbst der deutscheste aller Maler des
16. Jahrhunderts, den man wirklich nicht
sehr treffend den „deutschen Correggio"
genannt hat, den Sirenentönen der „Buh-
lerin" Italien nicht ganz widerstehen
können.

Was für eine Kirche im Hintergründe
dargestellt ist, wird schwer zu bestimmen
sein. Der Bau mit dem zweischiffigeu
Querschiff zeigt Aehnlichkeit mit der
Aschaffenburger Stiftskirche und dem Straß-
burger Münster, ohne doch mit einem dieser
Bauten genau übereinzustimmen. Der
Gedanke liegt nahe, daß das Bild für-
eben diese Kirche gemalt sei. Denn daß
es nicht von vornherein in der kleinen
Stnppacher Kirche gehangen hat, ist ja
selbstverständlich. Stuppach ist ein Dorf
von 360 Einwohnern südsüdwestlich von
Mergentheim und ist im 16. Jahrhundert
sicher eher kleiner als größer gewesen.
Auch ist die jetzige Kirche erst im Jahre
1607 gebaut und an ihrer Stelle hat in
Grünewalds Zeit wahrscheinlich eine kleine
Kapelle gestanden. Wer hätte dort wohl
die Mittel gehabt, für diese Kapelle
ein so kostbares Bild malen zu lassen?
Dazu wissen wir positiv (aus der Psarr-
chronik), daß das Bild zu Anfang des
19. Jahrhunderts, wahrscheinlich 1609
oder 1610, von dem Stnppacher Psarrer
Blumhofer aus dem nahen Nt er gen t-
heim, und zwar aus der dortigen
Schloßkirche, nach Stuppach gebracht
worden ist. Damals wurden das schloß
und die Kirchen Mergentheims, das kurz
zuvor württembergisch geworden war,
vieler Kunstwerke beraubt, weil die
Württemberger fürchteten, das alteDeuisch-
ordensgebiet könne bei der Entschädigung
der Rheinbundstaaten badisch werden.

Die Herkunft aus der Schloßkirche des
Deutschordeus in Mergentheim macht es
wahrscheinlich, daß Grünewald, bekannt-
lich ein ausgesprochen katholischer Maler
und Lieblingsmaler des Kardinals Albrecht
 
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