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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 3
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Groner, Anton: Der Plan von Michel Angelos Medicigräbern, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0041

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31

Ecken äufamntenfioBenben) Viertel dagegen ;
zeigen eine architektonische Gliederung,
nämlich je unten eine Türe (die »porti-
celle« der Korrespondenz) und darüber
eine Art Nische (die »tabernacoli«). Die
beiden mittleren Viertel der Altarwand
sind um ein Viertel der Wandbreite vor-
geschoben, so daß ein geradmandiger Chor
entsteht. In der Linie der Altarwand
steht im Chor der um vier Stufen erhöhte
Altartisch (der Priester schaut bei . der
Messe nach dem Schiff hin).

Suchen wir nun da, wo die Treppe
i >t (also beim Altar), den Platz, für
welchen Michel Angelo das Lavamani zeich-
nete, so ist ans den ersten Blick zu sehen,
daß es für die Seilenviertel der
Altarwand bestimmt war, und daß in
der „Scitennische" der Zeichnung das
Tabernakel der angrenzenden (rechten)
Seitenwand skizziert ist. Die schlechte
Beleuchtung des geplanten Lavamani
machte Durchstoßnngen nötig (Q.
Diese Durchstoßung hat der Künstler in
seinem Entwurf skizziert: die Tabernakel
der an die Altarwand grenzenden Seiten-
wandviertel sollten durchstoßen werden,
d. h, Fenster erhalten. Nun versperrten aber
Häuser diesen Fenstern das Licht (D);
man beschloß, sie niederzureißen (D). Nach
alledem ist es, glaube ich, evident,
d a ß w i r i n F i g u r 1 d a s L a v a in a n i
der Korrespondenz vor uns haben.
Aber dieses Lavamani ist ein Grabdenk-
mal ohne Sarkophag. Wie ist dies zu
erklären? Der Verlust der Briefe Michel
Angelas macht sich hier besonders bedauer-
lich geltend. Denn die Briefe Fattuccis
geben hiefür keine Anhaltspunkte. C spricht
luti' davon, daß dem Papst die Idee des
Cavamanl wib die Durchstoßnngen und
alles gefallen hätten. Was haben wir
uns aber unter dem andern „allem" zu
denken? Bestimmt wissen wir das nicht.
Eine Vermutung aber liegt sehr nahe.
Figur 2 gehört, wie auch Burger her-
vorhebt, ihrem Charakter nach gleich-
falls in die Medicikapelle; ihr mächti-
ger Sarkophag, der allen: nach
hinter dem Altar an der Chor-
wand a u s g e st e l l t werden sollte,
ergänzt offenbar das Lavamani
zu einem Grabdenkmal. Wie ans
der Korrespondenz hervorgeht, hat Michel

Angelo in den Bei Handlungen über die
Papstgrabmäler der Kapelle nur einmal
eine „Zeichnung des Grabmals" einge-
sandt. Die beiden besprochenen Entwürfe
beweisen durch ihre detaillierte und sorg-
fältige Ausführung, daß sie für den Papst
bestimmt waren. Wir dürfen sie daher
mit Bestimmtheit als den Originalentwnrf
betrachten, den Michel Angelo im Juni
1524 nach Rom gesanot hatte und am
12. April 1525 zurückerhielt.

Wir haben uns d e m n a ch das
e r w e i t e r t e P r o j e k t v o m I u n i 1524
folgendermaßen vorzustellen: an
den Seitenwänden einander ge-
genüber d i e H e r z o g s g r ä b e r m i t
je einem Sarkophag, in ihren
M i t t e l n i s ch e n die Sitz statueu des
I d e a l h e r r s ch e r s in Krieg und
Frieden/) in den Seitennischen
vier stehende Allegorien (darun-
ter am Giuliano-Grabmal die
trauernde Erde und d e n t r i um-
p Hierenden Himmel), auf den
Sarkophagen die vier „Tages-
zeiten", am Boden die vier Flnß-
götter; an der Rückwand das
D o p p e l g r a b m a l der M a g n i f i c i
mit zwei schmucklosen Sarkopha-
ge n, d a r ü b e r S i tz st a t u e u der Ai a-
d o n n a und der beiden Ai e d i c i-
p atro ne; im Chor hinter dem
Altar die beiden Sarkophage der
Päpste, darüber je eine Nische
(mit einer Heiligenstatne?), bei-
derseits an der Altar wand die
Lavamani mit den Sitzstatuen
der beiden Päpste.

Man hatte Michel Angelo deutlich zu
verstehen gegeben, daß er die Papitdenk-
mäler am besten Platz, an den Seiten-
wänden, anzubriugeu habe, wenn er den
Beifall deS Papstes finden wolle (A und
B). Michel Angelo dagegen ließ sich in
den alten Plan nicht eingreifen und ordnete
die Papstdenkmäler am Chor an. Im
Vatikan ist man von dem Projekt erfreut,
bleibt bei seinen alten Wünschen und Hoff-
nungen (C). Der Künstler ist abermals
für die päpstlichen Vorschläge nicht zu
haben, sondern arbeitet seinen ersten Plan

VBflt. „Archiv für christliche Kunst" 1907,
6. 45 ff.
 
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