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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 4
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Wunder, ...: Geschichte der kirchlichen Kunst im oberen Filstal, [1]
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Baur, Ludwig: Zur Baugeschichte der Stiftskirche in Tübingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0050

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40

kalten, steifen und seelenlosen Pracht nicht
ganz erwehren.

Welch eine gewaltige Entwicklung hat
die Spätrenaissance in dieser relativ kurzen
Zeit von ca. 100 Jahren durchgemacht,
angefangen vom italienischen Barock bis
herab zum Klassizismus! Immer wieder
neue Gedanken, neue Formen, neue Mo-
tive, alles originell, nichts Schablonen-
haftes, keine Fabrikware! Die älteren
Barockkirchen zeigen meistens (wie z. B.
Deggingen und Dozburg) massive Tonnen-
gewölbe mit Stichkappeu, verziert mit
derben wuchtigen Stnccaturen. Anfangs
gar keine Deckengemälde wie in Dozburg
und dem Chor der Degginger Pfarrkirche,
die ganze Ausschmückung besorgt der
Stuccateur, oder aber treten allmählich
ganz schüchtern kleine Deckengemälde aus,
medaillonsförmig, wie im Schiff der
Degginger Pfarrkirche. Im französischen
Barock drängt sich die Malerei schon mehr
vor (Beispiel: Chor der Stiftskirche in
Wiesensteig). Im Rokoko und Klassizis-
mus treten vielfach an die Stelle der
massiven Gewölbe flache Decken mit aus-
gerundeten Ecken. Die Stnccaturen wer-
den immer mehr zurückgedrängt auf Kosten
der Gemälde, welch letztere oft die ganze
Decke einnehmen. Die Stnccaturen muß-
ten vielfach fast nur mehr den Nahmen
bilden für die Gemälde.

Die Säkularisation und Aufklärung
ging auch an der kirchlichen Kunst im
alten Wiesensteiger Landkapitel nicht spur-
los vorüber, indem besonders viele Gegen-
stände der Kunststickerei (Meßgewänder,
Ornate rc.) und besonders der Edelmetall-
indnstrie (Kelche, Monstranzen, Leuchter rc.)
aus Dozburg und Wiesensteig verschleppt
wurden. Die Kirchengebände selber kamen
meist glimpflich weg, indem wenigstens
eine der Wallfahrtskirchen, ans die man
es ja besonders abgesehen hatte, nämlich
Ave Maria noch gerettet wurde, während
leider die andere, Dozburg im Jahre
1804/05, voni Schicksal ereilt, d. h. ab-
gebrochen wurde.

Zur Baugeschichte der Stiftskirche
in Tübingen.

Von Professor Pr. 2. Baue, Tübingen.

Die bangeschichtlichen Akten der Stifts-
kirche in Tübingen scheinen verloren zu

sein. Um so willkommener sind Notizen,
die uns einigermaßen Aufschluß versprechen
über die Entstehung des schönen Bau-
werks. Zu diesen gehört zweifellos als
eine der bedeutsamsten und wichtigsten
und zudem bisher vollständig unbekannten
eine kurze Bemerkung in beiu von Nieder
im „Freiburger Diözesan-Archiv" XXXV
(1907), 1 ff. veröffentlichten Begistnunr
subsidii charitativi v. I. 1508. Hier
ist genannt für Tübingen ei» „altare
inferioris criptae in ecclesia", von
welchem 17 ß h oit die bischöfliche Mensa
bezahlt wurden.

Aus dieser Notiz ergibt sich, daß in
Tübingen ein Altar „criptae inferioris“,
also offenbar auch eine Krypta noch im
Jahre 1508 sich befunden haben muß. Wo
ivar sie? Die Bemerkung sagt kurz: „in
ecclesia" und unterscheidet diese von
der unmittelbar vorher genannten capella
in hospitali pauperum. Da nun diese
„ecclesia in Tüwingen" noch mehr-
mals genannt ist und dabei nur die
jetzige Stiftskirche gemeint sein kann, so
muß das auch hier zntreffen. Demnach
muß sich noch i. I. 1508 ein „altare
criptae inlerioris" in der Stiftskirche
befunden haben. Damals aber war be-
reits die jetzige gotische Kirche gebaut.
So legt sich die Vermutung nahe, daß
von der ehemaligen romanischen Kirche
die Krypta in den gotischen Ban her-
übergenommen und weiterbenützt wurde.
Wahrscheinlich ivnrde sie dann inr Zu-
sammenhang mit der Einführung der
Reformation und der Bilderstürmerei,
die auch zu Tübingen ihre Opfer forderte,
zugedeckt.

Ob sie heute noch vorhanden ist, müßten
Nachgrabungen ergeben. Eine Nachfor-
schung wäre die Sache wohl wert. Ich
habe mich seit November nach den Bau-
akten erkundigt, bisher ohne Erfolg.

2. Aus demselben subsidium chari-
tativum erhalten wir auch Ausschluß
über eine Anzahl von Altären und Kapellen,
welche die Stiftskirche unmittelbar vor-
dem Ausbruch der Reformation besaß:
Es werden darin erwähnt die capella
S. Blasii und capella altaris S. Crucis.
Altäre sind genannt: Sinron und Inda,
Sebastian, Nikolaus und Gebhard, Marien-
altar, Oswald, Johann Bapt., Jakobus,
 
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