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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 4
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Kümmel, Konrad: Etwas über Lourdesgrotten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0053

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43

von selbst der Satz ableilen: je mehr
Aehnlichkeit eine Lonrdesgrotte mit deni
Original bat, je mehr sie in ihrer An-
lage dem Charakter der Gnadenstälte von
Lourdes selbst verwandt ist, umso besser
ist sie gelungen, umso vollkommener ist
sie. Je weiter aber eine Lonrdesgrotte
sich entfernt von dem Original, umso-
mehr läuft sie Gefahr, an Pietät wie an
innerer Schönheit zu verlieren.

Man wird also ohne weiteres sagen
dürfen: Lourdesgrotten gehören
nicht in das Kirchen innere.

Es ist ja vorgekommen — allerdings
nicht häufig, daß eine unverstandene Be-
geisterung — oder was alles noch mit-
gewirkt haben mag — eine förmliche
Lonrdesgrotte ans Tuffsteinen mit den
Figuren der Multergolles und nach Um-
ständen auch der kleinen Bernadette zum
Altar bilde machte, sei es, daß diese
Grotte ohne jede Umrahmung über der
Mensa sich erhob, sei es, daß sie in einen
alten oder neuen gotischen, romanischen
oder Barock-Altaraujsatz eingebaut wurde.
Wenn das ein Kunstkenner, der gewiß
nicht zu den prinzipiellen Gegnern der
Lonrdesandachten zählt, als „Barbarei"
bezeichnete, so ist das durchaus zu be-
greifen ; vom ästhetischen Standpunkte aus
(und nur diesen haben wir jetzt im
Auge) ist dies Urteil berechtigt. Und
zwar ist der Mißgriff ein noch weit
größerer, wenn eine hölzerne Architek-
tonik in irgend einem historischen Stile
dazu dienen muß, einem künstlich geschich-
teten Tuffsteine-Konglomerat zur Rahme
zu dienen, als wenn das letztere für
sich allein bleibt. In jedem Falle aber
besteht ein unüberbrückbarer Widerspruch
zwischen dem reinen Naturcharakter der
„Grotte" und dem Altarbau, der nach
den Gesetzen der Kunst gedacht ist. Jede
künstlerische Wirkung ist hier verloren,
weil die „Grotte" jedes Scheins von
Wahrheit und Natürlichkeit entbehrt, wenn
sie künstlich an eine Wand hinanfgeheflet
wird, mit der sie auch in gar keiner orga-
nischen und logischen Verbindung steht.
Der ganze Grollenban muß als eine
Spielerei und Tändelei wirken; er steht
außerdem entschieden im Widerspruch mit
der Würde und dem Wesen des Altar-
baues. Eine Lourdesgrotte als Altar —

das ist zweifellos die unglücklichste Form,
welche gewählt werden kann.

Es ist aber auch, und zwar nicht eben
selten der Fall, daß eine Lourbesgrotle
im Innern der Kirche ihren Platz erhalten
hat, aber nicht auf einem Altar. Wir
sprechen nicht von jenen Miniatnrnach-
bildungen, welche da und dort in der
Größe eines kleineren Krippleins, auf
einem Postamente, in einer kleinen Nische
ausgestellt sind, sondern von den größeren
und großen Grotten, welche den Anspruch
machen, wirkliche Imitationen der Gnaden-
ställe zu sein. Es finden sich solche an
einer der Seitenwände ausgebant, in eigenen
größeren W a n d n i s eh e n oder Wand-
kapellen, auch i m V o r r a u m d e r K i r ch e,
unter der Empore u. s. w. Hier können
sie nach Umständen sich malerisch ein-
gliedern, besonders wenn sie entsprechend
aufgebaut, mit natürlichen Pflanzen be-
lebt und ganz für sich, ohne jede archi-
tektonische Verquickung belassen sind, und
wenn sie sich in das Plätzlein, das ihnen
gewählt ist, rech! verständnisvoll und warm
einschmiegen. Das trifft freilich nicht zu,
wenn an die nächste beste glatte Wand
hin eine Ladung von Tuffsteinen über-
einandergesetzt wird, so daß sich die „Grotte"
mit banaler Nüchternheit, ohne schützende
Deckung und jegliche Eingliederung in das
Kircheninnere, so gar offen zeigt, daß sie
nichts ist, als ein Haufen aufeinander-
gelürmler Steine, die in ihrer mehr als
prosaischen, häßlichen Wirkung eher ein
Spott, als eine schöne Erinnerung sind
an das urwüchsige Heiligtum am Fuße
der Gnadenkirche zu Lourdes. Darf ans
solche Lourdesgrotten im Innern der Kirche,
soweit sie im allgemeinen den ästhetischen
Forderungen entsprechen, auch gewiß nicht
das Urteil angewendet werden, wie auf
die Altar-Grotten, so bleibt doch noch
vieles übrig, was zu keiner wahren Be-
friedigung kommen läßt. Es ist eben doch
ein innerer Widerspruch zwischen den
Nennern des Kircheninnern und der ge-
samten Ausstattung desselben und zwischen
dem Stück Natur, das in der Lourdes-
grolte hereinverpflanzt worden ist. Die
Natur erscheint hiebei bloß als geduldet, weil
sie nicht in ihrer eigenen Umgebung, nicht
in ihrem „Eigentum" sich findet. Es ist und
bleibt eben e i n S t ü ck T r e i b h a u s n a l u r.
 
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