Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Naegele, Anton: Eine geistliche Apotheke in Bild und Wort, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
70

Umfang des Gebäudes, von dem nach
der Säkularisation der größere Teil ab-
gebrochen wurde und heute nur noch der
südöstliche Flügel steht als Wohnung des
Pfarrers und Mesners. Ein größerer
Farbendruck int Verlag von Rudolf Abt
in Passau ist danach gefertigt, wie auch
das Titelbild der Biographie der seligen
Luitgard von P. Reichenlechner. Z

Außer wenigen, von der Hand der
Nonnen einst gefertigten prachtvollen Pa-
ramenten bewahrt die kunstgeschichtlich
wenig bedeutende Renaissancekirche
mit Statuen des hl. Franziskus und der
hl. Klara als einziges Kleinod die Re-
liquien der in jenen Schwarzwaldgegen-
deu viel verehrten seligen Ordensstiflerin
Luitgard in goldenem Schreine ans. Im
Jahre 1629'ward bei einer Oeffnung
des Sarges durch den P. Job. Ludwig
a Meusis das Gehirn der Stifteriu mit
allen Aederlein und Fugen vollständig
nnverwest gefunden, was sowohl katho-
lische als uichtkatholische Doktoren einer
übernatürlichen Ursache zuschriebe». Dieser
wunderbare Befund trug viel zur Aus-
breitung der Lnitgardisandacht und der
Wallfahrten zu ihrem Kloster und
Grab bei. lieber diesem wird in
einem neuen kostbaren Reliqnieuschrein
heute noch ihr Haupt anfbewahrt. Eine
lebensgroße Statue, in Stein gehauen,
bildet die Abschlnßplatte ihres Grabes.
Auf drei größere Brände des 17. Jahr-
hunderts folgte immer wieder ein Neu-
aufbau des Klosters durch die nnent-
mutigten Töchter Luitgards. Zum vierten -
und letztenmal wurde der jetzige Bau
1681 unter Leitung eines gewissen
P. Enprepes als Baumeister errichtet.
Zum Schmuck dieses letzten Klosterbaues
gehörte wohl sicher unser Kunstwerk. In
den Wirren der Säkularisation,
die auch in die stille, weltabgelegene
Klostereinsamkeit gedrungen ist zur Zeit
des josephinischen Klostersturmes und Wit-
tichen in die Hände der Fürsten von Fürsten-
berg auslieferte, blieb es durch ein merk-
würdiges Geschick erhalten und bildete
bis vor kurzem das einzige Andenken au
die einstigen Klosterfrauen. Kein Kreuz-
lein auf dem Klosterkirchhof meldet mehr von
ihrem Dasein und Wirken. Verstummt

sind seit einem Jahrhnndeit der frommen
Ordensfraueu Lobgesänge, von denen die
nahen Wälder einst widerhallten.

Trotzdem hat das Volk in jenen ein-
samen Schwarzwaldtälern mit der Ver-
ehrung der seligen Luitgardis x) auch die
Erinnerung an das Walten und
Wirken ihrer Töchter festgehalten, und
eine Generation erzählt der andern von
den letzten Klosterfrauen, die der klöster-
lichen Gemeinschaft treu blieben bis zu
ihrem Anssterben.

Unter anderen Wohltaten, durch die
sich die Stiftung der seligen Luitgardis
den umwohnenden „Burenvölkern" nützlich
machte, ist besonders das Andenken au
die K l o st e r a p o t h e k e erhalten geblieben,
an das segensreiche Wirken arzneikundiger
Töchter des hl. Franziskus.

Die Arzueikuude der Klarissinneu in
Witlichen, doppelt dankbar empfunden bei
der weilen Entfernung der zerstreuten Ge-
höfte von Arzt und Apotheke, halte reiches
Material in der herrlichen Pflanzenwelt
der dortigen Schwarzwaldtäler in Feld und
Wiese und Wald, in der überaus reichen
Menge der dort wachsenden Arznei-
pflanzen. Das auf Anregeu des Groß-
herzogl. Kreisschulrats Schenk heraus-
gegebene verdienstvolle Werk: „Der Schul-
kreis Offenbnrg, Heimatkunde"^) hebt
diesen llmstand besonders hervor und ver-
weist auf Joh. Alfons Ulsamers Haus-
apotheke allerprobler Heilkräuter n. a.
Allehrwürdige Tradition der Klöster, die
eine unten zu berührende, nicht unrühm-
liche Geschichte der Klosterapotheken ge-
schaffen hat, Motive christlicher Charitas
zu solchen leiblichen Samariterdieusteu
und die heilkräftigen Spenden der Natur
haben auch in Witticheu zur Einrichtung
einer Klosterapotheke geführt. Keine Ur-
kunde scheint von ihr Zeugnis zu geben;
doch bestätigt außer mündlichen, Ueber-
lieferungen aus alten Klosterzeiten die wohl-
tätige Ausübung der Heil- und Arzneikunde
durch die Willicher Klarissinneu unser
Oelgemäide auch in seinem eigenartigen,
allegorischen Gewände.

*) Ein Brief Gerhardts von Rappoltsweiler
an Luitgard ist in der Berliner Kgl. Bibliothek ver-
wahrt; ihre Biographie bei Mone, Quellensamin-
lung der badischen Landesgeschichte III, 438—468.

2) Offenburg 1899, S. 112.

') Passau 1890, zweite Auflage.
 
Annotationen