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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 9
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Naegele, Anton: Eine geistliche Apotheke in Bild und Wort, [3]
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Wunder, ...: Geschichte der kirchlichen Kunst im oberen Filstal, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0107

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95

So fügt sich der Keite von Dar-
stellungen des Gottesideals, der früher
geübten, häufiger verwendeten und mehr
bekannten Typen des guten Hirten, des
Wundertäters, des Gesetzgebers, des
Lehrers und Erlösers das weniger gekannte
und ansgebildete Symbol des h ei-
le it b e it Arztes beziehungsweise Apo-
thekers ') ein.

(Fortsetzung folgt.)

Geschichte der kirchlichen Kunst
int oberen Klstal.

Mit besonderer Berücksichtigung der
Architektur.

Von Pfarrer Wunder, Mühlhausen.

(Schluß.)

Jni Aeußern bietet die Kirche mit
ihren vorn Brand geschwärzten Mauern,
Strebepfeilern, hohen, des Maßwerks be- >
raubten Fenstern immer noch das Bild
einer mittelalterlichen, gotischen Kirche.
Imposant wirkt namentlich der altersgraue
schlanke Chor durch seine imponierende
Höhe. Das Aeußere ist im allgemeinen
ganz schlicht gehalten. Die Strebepfeiler
endigen nicht in Fialen, sondern in Pult-
dächern, da das grobe und poröse Stein-
material (Tuffstein) keine Verzierungen
zulies;. Erhalten sind auch noch die zwei
gotischen Seitenportale, dieselben zeige»
reichgegliederte Laibungen: Hohlkehlen,

runde Säulchen mit gemundenem Fuß,
Stäbe mit Virnprofil. Die Scbaltöcher
der quadratischen Türme haben zum Teil
noch spätgotisches Maßwerk.

Eine herrliche, imposante Halle muß
früher das Chorinnere gewesen sein
mit seinem hohen Gewölbe und reichen
Blaßwerksenstern^), aber auch jetzt ist

sprechende Christusbild, ebenfalls Brustporträt,
selten reproduziert zu finden, auch nicht in den
größeren Kunstgeschichtswerken. Kuhn erwähnt
es nicht.

>) Ueber häufige Vereinigung von Stand- und
Berufsübung des Arztes und Apothekers in einer
Person, vgl. Schelenz S. 449 u. ä.

*) Mit seinen schlanken, edlen Verhältnissen
hat unser Chor manche Aehnlichkeit mit dem der
Tübinger Stiitskirche. Der am Ban der Tübinger
Stiftskirche tätige Steinmetz und Bildhauer Aug- ,
staindreper war ein gebürtiger Wiesensteiger; ,
es ist wohl möglich, daß er auch am Bau der
Wiesensteiger Kirche mitgewirkt hat.

es in seinem Barockkleid noch ein
schöner Raum. Die älteren Kirchen, die
später eine neue Innendekoration im
Barockstil erhalten haben, wirken gewöhn-
lich nicht befriedigend: die Dekoration ist
für die meistens schmalen Räume zu
schwülstig,. protzig und ausdringlich, die
Gesimse zu massig. Diese Klippe wurde
im Chor der Wiesensteiger Stiftskirche
glücklich umgangen. Die Stuckdekoration
des Melchior Paulus ist überaus maßvoll
und geschmackvoll, die Gesimse nicht zu
sehr ausladend.

Anders steht es mit beut Langhaus
und besonders mit dem Chorbogen,
die ca. 60 Jahre später im klassizistischen
Stil umgewandelt wurden. Der Chor-
bogen ist sehr schmal und schlank und
nun kommen die kolossalen Gesimse, das
weitausladende Gebälk, die diesen Chor-
bogen beinahe erdrücken. Man fragt sich
unwillkürlich: Wozu dieser gewaltige
Apparat von tragenden Gliedern, wo doch
beinahe nichts zu tragen ist? Dieses
schreiende Mißverhältnis zwischen tragen-
den und getragenen Gliedern wirkt nicht
gerade ästhetisch.

Ungleich besser ist die Wirkung des
Schiffes, weites bedeutend breiter ist.
Diese Dekoration im Stil des Klassizis-
mus ist wirklich schön, ja geradezu klas-
sisch schon. Die reichen korinthischen Ka-
pitelle, der Zahnschnitt, der Eierstab, die
Konsolen mit den Akanthusblättern, die
Kassetten an der Decke zeigen den besten
Geschmack. Reizend ist auch die Stuck-
verzierung an der unteren Empore. Der
Eindruck, den das Schiff auf den Be-
schauer macht, ist zwar etwas frostig und
kühl, aber überaus vornehm. Alles in
allem: Dieses Kircheninnere ist ein herr-
licher Raum von bester Wirkung. Schade
nur, daß er durch den schmächtigen Chor-
bogen auseinandergerissen ist. Das Schiff
hat manche Aehnlichkeit mit den Kirchen
in Wiblingen ilnd Buchau.

Ter Hochaltar von 1719 zeigt den
gewöhnlichen Aufbau der Barockaltäre,
mit seinen kolossalen Säulen aus Stuck-
marmor. Das ganz vergoldete Kreuz-
allärchen ist ein wahres Kabinettstück des
Louis XVI. In der Sakristei befindet
sich ein reizendes Barockaltärchen in der
Naturfarbe des Eichenholzes. Tüchtige
 
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