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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 10
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Rohr, Ignaz: Die Fischpredigt des hl. Antonius von Padua: ein Wandgemälde von M. Feuerstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0112

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99

neben ihm stimmen znm falben Licht-
effekt. Etwas voller, aber doch immer
noch blaßrot, ist das Hemd des Mannes
mit den nackten Armen, der hinter dem
jugendlichen Paare sieht. Den hellen
Ton derselben nimmt die schneeweiße,
große Haube der alten Frau links von
jenem Manne ans, wobei ihr die beiden
Flachskopfe sekundieren, die über und
unter ihr hervorragen, während die rot-
braune, kräftig rotgesäumte Schürze des
Mannes im blaßroten Hemde sowie der
kräftige Ton der Gesichtsfarbe, das
schwarze Haar, die rotbraune Jacke und
die grüne Mütze des jungen Mannes
beim vordersten Schiffe die hellen Töne
nur umso kräftiger heraushebeu und den
Uebergang bilden zu dem Fischweib mit
seinem violettbrannen Obergewand, seinem
blauen Rock und bem Dunkelblau des
aufgeschlageneu Kleides. Der dunkel-
braune Mantel und die ebenso gefärbte
Mütze des Greises hinter ihr nehmen
diese kräftigen Töne auf und geben sie
weiter a» das dicht am äußersten Rande
links sich reckende dunkelbraun gekleidete
Männchen, während das bräunlichgraue
Röckchen des Kindes neben dem Fischweib,
die lichten Gestalten der beiden Jung-
frauen zwischen ihr und dem alten
Manne, dessen weißes Haar und blaß-
rotes Mützenband und das blaßbläuliche
Hemd des Arbeiters zwischen diin die
lichten Partien von rechts nach links fort-
setzen.

ÜJiit diesen auf den ersten Blick sehr
einfach wirkenden, aber bei einigermaßen
genauerem Betrachten doch das ganze
Raffinement kluger Berechnung ver-
ratenden Mitteln hat es Feuerstein fertig
gebracht, die Hauptgestall unter Verzicht
auf einen sie ninwebenden, in der Wirk-
lichkeit aber nie vorhandenen Strahlen-
glanz oder grell auf ihr sich spiegelnden
und damit derb auf sie hinweisenden
Sonnenstrahlen dennoch in der ganzen
Schlichtheit des Bettelmönches und in
der ganzen Größe der historischen Per-
sönlichkeit von ihrer Umgebung abzu-
heben.

Trotzdem hat man nicht den Eindruck
des Gemachten, des Erkünstelten, des
Unnatürlichen, wie bei so manchem
lebenden 'Lute. In ungezwungener Stel-

lung gruppieren sich die Gestalten zu-
sammen, stellen sich über- oder neben-
einander ; in natürlicher, einen gewissen
anmutigen Fluß bekundender Haltung
richten sich die einen empor, neigen sich
die andern vor, beugen sich wieder
andere nieder, wie es das Streben ein-
gibt, den Wundermann zu hören, die
Wundertat zu schauen. Namentlich sei
auf den Fluß der Linien in der kräftigen
Gestalt des Fischweibes hingewiesen. Da-
bei ist es sehr interessant, die Phtzsiogno-
mien der einzelnen Persönlichkeiten zu
vergleichen und die Stimmung von den
Zügen abzulesen. Hier das Staunen,
dort fast eine Art Entsetzen über den vor
aller Augen sich vollziehenden Bruch mit
den Naturgesetzen, ein andermal das
Grübeln, wie sich das erklären lasse,
dann den Uebergang vom Staunen über
diesen äußeren Effekt der Predigt zu
ihrem inneren Gehalt, dann das Ein-
gehen auf diesen Gehalt selber. Jeder
Gestalt ist ihr Charakterbild ausgeprägt
und alle Stimmungen spiegeln sich wider,
die ein derartiger Vorgang bei den ver-
schiedene» Naturanlagen und abweichenden
Lebensauffassungen erzeugen kann. Wer
ein Bild innerer Ergriffenheit sehen will,
der betrachte die beiden Jungfrauen neben
dem Greis, wer die bloße Neugierde be-
lauschen ivill, der studiere den jungen
Mann neben dem vorderen Schiffe; wer
das Nachdenken und Ueberlegen beobachten
will, der beachte den Greis, und wer das
selbstgenügsame Besserwissen porträtiert
haben will, der sehe sich das Männlein
links am Rande mit seinem klug empor-
gestreckten Köpfchen und seinem naseweis
in die Lust ragenden Näschen an.

Die Dimensionen des Gemäldes
(4/25 X. 3,ö2 m) hätten einem „modernen"
Maler eine willkommene Gelegenheit ge-
boten zu impressionistischem Farbeuauftrag
nnd einem Bravourstück der über alles
Detail hinwegseheuden, „großzügigen"
Kunst. Wer die früheren Werke Feuer-
steins kennt, der rechnete nicht mit solchen
Möglichkeiten und wußte, daß Gewöhnung
und nicht die Rücksichtnahme auf die
schon vorhandenen Gemälde in Altkirch
ihn auf den bewährten Pfaden der alten
Meister Hallen würde. Aber gerade der
Vergleich mit früheren Werken des
 
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