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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 12
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Naegele, Anton: Eine geistliche Apotheke in Bild und Wort, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0136

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der Klosterarzt ein geschlossenes B n ch,
das den Titel trägt: Mille Mali Species,
Mille Salutis erunt. Unter dem Buche
liegen zwei Rezepte mit der Anfschrift:

ax'W

Re-Amoris Divini
Proximi
Inimicoru
a a q : S.

Gratia Divina

ad pondus omnium
Misce fiat.

Panacea Catholica.

Dieses Rezept, das von einer dem
Wilticher Bild n»d Epigramm ganz ähn-
lichen Symbolik, nur in weit kürzerer
Fassung, zeugt, ist auf einem hinten an-
gehefteten Zettel also ü bersetzt: „Nimm
Gottesliebe, Nächstenliebe, Feindesliebe,
Göttliche Liebe, (Gnade?) zum Gewicht
des Ganzen, mische es, und du hast ein
katholisches Universalarzneimittel." —
Auf dem zweiten Rezept steht ein die
Allegorie nicht sortsetzender Text: Est
invidorum culpare bonos! Eine
Jahreszahl zur Datierung des Bildes ist
nicht angegeben, die Kleidung läßt ans
die Nokotozeit schließen.

Ans unserem eiligen — wohl erstmals
gemachten — Rundgang durch die Jahr-
tausende alte Entwicklung medizineller
Auffassung religiöser Ideen und Kräfte
hat sich »ns bis jetzt kein Nachweis
direkter Entlehnung unserer merk-
würdigen Apothekensymbolik ergeben. Erst
ans dem Umweg über England ist ans
der Hand eines Arztes, Bruders einer
Ordensfrau in Arenberg am Rhein, vor
Jahrzehnten ein handschriftliches Blatt
zu deu treuen Jüngerinuen des gott-
menschlichen Heilbringers in leiblichen und
geistigen Krankheiten gelangt und ist dort
von Geschlecht zu Geschlecht vererbt
worden. So auffallend stimmen beide
'Rezepte überein, daß diese Geistesprodnkte
medizineller religiöser Symbolik ans dem-
selben Boden erwachsen sein müssen. Als
denkwürdigste Parallele zum Bild und
Text der Witticher Klosterapotheke schließe
e-s hier die Blütenlese ans dem Garten
der Mystik.

«Rezept,

znsammengetragen ans den Schriften des I

ehrwürdigen Doctor St. Bernardus und
des berühmten Kränterhändlers
St. Franziskus Salesins.

Um dich einer guten Gesundheit des
Leibes und des Geistes zu erfreuen, nimm :
Wurzeln des Glaubens, grüne Blätter der
Hoffnung, Rosen der Liebe, Weihrauch der
Rene, Myrrhen der Abtölung, Holz vom
Kreuz. Binde dieses zusammen in das
Bündelchen der Ergebung i» den heiligen
Willen Gottes, lege es ins Gefäß der
i Andacht und begieße cs mit dem Weine
der heiligen Heiterkeit und mit dem
Wasser der heiligen Mäßigkeit und stelle
das Gefäß an das Feuer' der göttlichen
Liebe, damit alles gar koche, darauf setze
es an den kühlen Ort der Betrachtung
und verschließe es mit dem Deckel des
heiligen Schweigens, und wenn du dann
früh morgens und spät abends eine Tasse
von diesem kostbaren Getränke einnimmst,
so wirst du Gesundheit erlangen, was
ich dir wünsche und von Gott erflehe."

Der seit Jahren erwartete Versuch
einer Beschreibung und Erklärung des
Erstlings einer Privatgemäldesammlniig
mag, wenn wir auf den durchwanderten
Weg znrückblicken, nicht erfolglos nnter-
uommen sein. Welch einen Ausblick und
Fernblick in manch dunkle, unerforschte
Gebiete der Mystik und Malerei, der
Kunst und Aszese hat er uns auch bei
nur flüchtigem Gang durch Jahrhunderte
menschlichen Geisteslebens in religiöser
und künstlerischer Betätigung eröffnet!
Einen eigenartigen, vielleicht einzigartigen
Ausschnitt ans der theologia mystica
bietet die geistliche Apotheke des Klosters
Wiltichen in Wort und Bild. Darf sich
der glückliche Besitzer des Originalgemäldes

— erbetene Reproduktionen sind in Nord
und Süd bereits seit Jahren verbreitet,
das Original befindet sich jetzt in der
Apotheke des Klosters Untermarchtal, wie
ehedem treuer Schwesternobhut anvertraut

— auch nicht schmeicheln, bis zur tiefsten,
letzten Wurzel des merkwürdigen Kloster-
gewächses gedrungen zu sei»,') die Hand
dessen, der die seltene Blume aus dem
Garten der Mystik gepflanzt und gepflegt,

*) Sehe dankbar luiire der Bersasjer auch für
den kleinsten Beitrag au) dein Leserkreis des
„Ar.hio" mit Analogie» aus Kunst oder Literatur.
 
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