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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 3
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Rohr, Ignaz: Der hl. Franziskus Xaverius, [2]: ein neues Gemälde Martin Feuersteins
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Kirchliche Wachszieherkunst im 13. Jahrhundert, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0039

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29

des Ruhmes seines Meisters nnb ein
Gegenstand deS Hochgefühls seiner Volks-
genossen im gesegneten Gau zwischen
Vogesen und Rhein.

Kirchliche IVachszieherkuust im
H5. Jahrhundert.

Von Or. G., Ailingen.

(Schluß.)

Und mm beginnt die Transportation
der Leiche nach der Stadt ad locum
Stae. Mariae. Mit der größten Feierlich-
keit wurde diese veranstaltet, wie es sich
in einer Zeit von selbst verstand, von
der man sagte: tote Heilige seien ihr
wertvoller gewesen als lebendige. Es soll
hier die ganze Feierlichkeit nicht geschildert
werden, sondern nur ein Teil, der ein
eigentümliches Licht wirft anfdieKerzen-
f a b r i k a t i o ri n n d Kerzeuindustrie
zil kirchlichen Zwecken, speziell zu
Leichenbegängnissen im 13. Jahrhundert.
Ich setze hier die von mir angefertigte
deutsche Uebersetzung des lateinischen Textes
nach der Ausgabe von Kerval her.

„Alle, welche Kerzen tragen konnten,
trugen sie angezündet in den Händen, und
so groß war die M e n g e dieser Leucht-
körper, daß sozusagen die ganze Stadt
brannte, wie von Feuer ergriffen. Voraus
ging eine Kerze von solcher Gestalt und
solcher Größe, daß nur, wenn sie zum
großen Teil ihrer Länge abgebrochen war,
sie im Jnnenraum der Kirche der heiligen
Gottesmutter aufrecht gestellt iverden
konnte." Ferner heißt es: „Sie trugen,
und zwar barfuß, Kerzen vo» solcher Länge,
daß die meisten, nur gebrochen, wo immer
zur Kirchenlüre hirieiugebracht werden
konnten. Andere Kerzen wurden auf den
Schultern mehrerer Menschen (Mann)
getragen, weil zur Fortbewegung auch nur
einer Kerze kaum sechzehn Manu hiu-
reichteu, und auch diese gingen gebückt
(curvati) unter der Last, oder wenn man
ans Wagen die Fortbewegung der Kerzen
versuchte, mußten 2 Paar Ochsen, gejocht
aneinander, den Wagen fortzieheu. Näher-
hirr waren die Kerzen von schlankem
Ban, aus denen, nach Art eines Kande-
labers, die Arme hüben und drüben
hervorspraugen, Ruudgebilde — wohl
kranzartige For m e n (sperulae — sphae-
rulae ?) waren angebracht, F o r in en von

Lilien, Wei n slöcken,ve r s eh i e d e n e n
Blumen arten, alles durch die Hand
des W a ch s kü n st le rs sorgfältig geformt
bezw. gegossen (expressa). Unb nun
kommt das Eigentümliche und für uns
förmlich Wunderliche. Wachsgebilde
in Formen von Kircheubauten und
von ernst auzusehendcu Heerlagern (terri-
bilem castrorum aciem) bewegten sich
im Zuge. Das elftere erinnert an die
Tatsache, daß in unserer Zeit gewisse
Konditoren und Zuckerbäcker ans ihren
Zrickersloffeu und ans dem Gefrorenen
gewisse Gebändefoimen, auch Kirchen
(Stephansdom in Wien, wie ich selbst ge-
sehen) hersteltcn, die dann zum Dessert
aufgetrageu und stückweise verzehrt werden.

Trotzdem endlich, daß mit so wnnder-
baren Wachsgebilden die Prozession ans-
geschmückl wurde, trugen die einzelnen,
Manu für Manu, brennende Lampen und
Kerzen, und als man vor der Menge der-
selben den Türflügeln der Kirche nicht
nahekommen konnte, warseu sie die Kerzen
und Fackeln auf der Straße vor der
Kirche massenweise nieder. — (Also wie
bei einem Fackelznge unserer Stndeutcu-
schcrft.)

Andere stclltcu auf den Mauern Licht-
körper sinnig zusammen und hielten Nacht-
wache dabei. Die ganze Stadt war freudig
bewegt darüber, daß sie im Schmuck eines
solchen Lichtmeeres erstrahlte, und hell er-
leuchtet durch fortgesetzte Zufuhr von
Leuchtkörpern, halte sie den Eindruck, der
dunklen Nacht Fiiistcrnis enthoben zu sein."
Dann folgt der Bericht über das Zu-
strömen gewaltiger Menschenmassen zu
Ehren des Heilige».

Uns kommt dies wie ein Märchen vor,
daß schon in jener Zeit die kirchliche Wachs-
zicherknnst solche Entwicklung genommen
haben könnte. Es findet sich aber der
Bericht in der vita des Heiligen, die am
meisten Anrecht aus Authentizität hat
und auch sonst als wertvolle Quelle für
das Leben des hl. Antonins gilt. Sie
ist verfaßt kurz nach 1232 — also früher
als die des Vinzenz v. Beauvois, also
vor 1264, früher als die des Julian
von Speier, also vor 1249, früher als
der Dialogns des Creszentius, also vor
1245. Nach der Untersuchung ist sie also
die älteste Legende über Antonins. Ver-
 
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