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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 6
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Baur, Ludwig: Katholische Kirchenkunst und moderne Kunst, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0067
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57

Das Festhalten an allen „echten" Kon-
struktionsmeisen ist zwar durchaus be-
rechtigt, wie ja im Kirchenbau ein kon-
servativer Standpunkt überall maßgebend
sein sollte. Aber dieser darf nicht zum
Hemmschuh in der logisch notwendigen
Entwicklung werden. Also soll man sich
dort, wo die Mittel zur Herstellung einer
massiven Sleindecke fehlen, nicht scheuen,
zu einer der erprobten modernen Kon-
struktionen zu greifen."

Doch ist nach unserem Dafürhalten für
das Gotteshaus — wo immer es mög-
lich ist — das empfehlenswerteste, massiv
zu bauen und massive Konstruktionen Sur-
rogaten, über deren Dauerhaftigkeit und
Zuverlässigkeit sich bis jetzt nichts sicheres
sagen läßt, vorzuziehen! Diesen Stand-
punkt haben auch unsere bedeutenderen
Kirchenarchitekten (in Württemberg beson-
ders) praktisch bisher eingehalten. — Auch
Hoßfeld verficht die Meinung, daß die
beiden genannten Ausführungsarbeiten
(Zement-Eisen und Gips-Drahtkonstruk-
tionen) „znni wenigsten n o ch nicht für
geeignet gehalten werden können" zu
einem Kirchenbau. — Er weist besonders
darauf hin, daß alles, was bis jetzt an
Decken in Monier-, Hennebique-, Rabitz-
art zustande kam, eine Nachahmung
von Gewölben sei. Darin liegt zwei-
fellos eine innere Unwahrheit, wie man
sie beispielsweise bei den Scheinarchitek-
turen des Barock- und Zopfstils so pein-
lich empfindet und speziell bei einem kirch-
lichen, monumentalen Ban nicht gerne
sieht. — Anderseits liegt die Gefahr
der Ungebundenheit, das Spiel mit leeren
Formen, ja der Willkür für den Archi-
tekten nahe: „Die Einschränkungen," sagt
Hoßfeld, „die eine steinerne Wölbekonstruk-
tion auferlegt, der Zwang, den sie in der
Bemessung und Gliederung der Baumassen
ausübt, sie sind unzweifelhaft heilsam und
von künstlerischem Werte. Die Ungebun-
denheit dagegen, welche z. B. die Rabitz-
baumeise in den Widerlageverhältnissen
zuläßt, führt zur Willkür und wenn nicht
zu tatsächlichen Unschönheiten, so minde-
stens zum Verzicht auf allerhand anspre-
chende bauliche Motive und Einzelbildungen,
die die strenger gebundene Wölbekunst
mit sich bringt. Die Einbuße, welche
das Maurerhandwerk nicht nur, sondern

auch die Schulung der jüngeren Archi-
tekten durch Einbürgerung des Snrrogat-
iystems erleidet, sei nur nebenbei erwähnt.
— Endlich ob sich Anstrich und Bema-
lung auf der Zementdecke bewähren, muß
noch erprobt werden. Sie zum Träger
einer irgendwie kostbaren Bemalung oder
gar eines Deckengemäldes zu machen, ist
ein Wagnis, vor dem man eine Kirchen-
gemeinde jedenfalls warnen mußZ." Un-
sere Stellung wird demnach die sein:
Wo nicht Armut dazu nötigt, zu den
Surrogaten zu greifen, bleiben wir bei
den soliden massiven Deckenkonstrüklionen,
für welche die alte Baukunst in uner-
reichter Meisterschaft die Konstruktion und
Statik fand. Und wo diese zu teuer er-
scheinen, greifen nur lieber zur einfachen
Hvlzdecke oder flachen Decke.

5. Man spricht in der modernen Knust
den Grundsatz aus, daß sie inalerische
Gesichtspunkte obwalten lassen solle. Es
ist schwer, allgemein zu sagen, worin diese
bestehen. Man muß sie mehr empfinden.
Die Bezeichnungen, welche die Künstler
selbst dafür verwenden, liegen durchweg
auf dem Gebiete des Empfindnugslebens.
Sie sprechen von kalten und warmen,
harten und weichen, nüchternen und
schwungvollen Bauwerken usw. Doch
läßt sich Hinweisen auf folgendes: Rück-
sichtnahme auf Landschaft und Umgebung,
in welche sich ein Bauwerk harmonisch
einzusügen hat; Verbindung von Kirche
und Pfarrhaus zu einem Gruppenbau;
wechselreiche — doch nicht unruhige Ge-
staltung des Außenbaues, wobei eine ge-
rnäßigte asymmetrische Anordnung nicht
ausgeschlossen ist. Auch die Anwendung
des dekorativen Formenschatzes der neu-
zeitlichen Kunst und der Grundsätze seiner
^Verwendung, die Tendenz nach ruhiger
Flüchenwirknng, dürfte hieher zu rechnen
sein. Als solche nennt O. Wagner,
Moderne Architektur 3. Ausl. S. 78: „Die
! Moderne geht bei Verwendung von figu-
ralein und ornamentalem Schmuck im-
.pressionistisch vor und nimmt nur jene
Linien auf, deren sichere Wirkung für
das Auge zu.gewärtigen ist. Hieraus
resultiert im Renstil das Uebergehen
! (Zusammenfließen) der tektonischen Form

') Hoßfeld, a. a. O. S. 49 s.
 
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