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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 7
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Marquart, A.: Ein verloren gegangener Totentanz
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0082

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71

bogen die behäbig mit Shawl und
Krinoline bekleidete Bürgerin znm grausen
Neigen holt!

Notiz. Für de» Bau einer neuen Stadt-
pfarrkirche in Memmingen wird vo» der Deutsch.
Gesellschaft f. christl. Kunst ei» Preisausschreiben
erlassen. Bedingungen sind von der Deutsch.
Gesellschaft f. christl. Knust erhältlich.

Literatur.

Geschichte der christlichen Kunst von
Franz Xaver Kraus. II. Bd. Die
Kiinst des Mittelalters und der italienischen
Renaissance. II. Abteilung. Italienische
Renaissance. 2. Hälfte. Fortgesetzt und
herausgegeben von Joseph Sauer.
Freiburg i. Br. (Herder.) 1908. —
XXII it. 574 S. — Preis Mk. 19.
Wohl kaum ein Kunsthistoriker und Freund
der kirchlichen Kunst hat nicht das lebhafteste Be-
dauern gefühlt und ausgesprochen, daß das groß-
angelegte und sowohl wegen seines Reichtums
an Inhalt, als auch wegen seiner Eigenart hoch-
geschätzte Werk „Geschichte der christlichen Kunst"
von Fr. L. Kraus mit dem Tode des Frei-
burger Gelehrten (28. Dez. 1901) unvollendet
bleiben solle. Denn, wie man hörte, hatte Kraus
selbst zur Fortsetzung seines Werkes nur ganz
wenig und meist Skizzenhaftes niedergeschrieben.

Umsomehr freute man sich, als wider Er-
warten die Ankündigung erfolgte, daß ein Schüler
des Verstorbenen, dem dieser in besonderem Maße
sein Vertrauen geschenkt und Einblick in seine
literarischen Pläne und Interessen gemährt hatte,
Professor Dr. Sauer in Freiburg die Fortsetzung
des Werkes übernommen habe. Es war gewiß
keine leichte Aufgabe,^ die Sauer sich damit gesetzt.
Kraus hatte in Auffassung und Darstellung ein
so ungewöhnliches Blaß von schriftstellerischen
Qualitäten geoffenbart, hatte über einen so außer-
ordentlichen Reichtum von Wissen und ausge-
breiteter Literaturkeuntnis verfügt, daß es nur
als ein Wagnis erscheinen konnte, eine Fortsetzung
seines Werkes durch einen andern besorgen zu
lassen. Dazu kam hier noch als erschwerender Um-
stand, daß Kraus selbst zum vorliegenden Bande
nur die Kapitel über Fra Bartolomeo und Lionardo
scrtiggestellt, sowie über Rom als Mittelpunkt der
Renaissancebewegung druckfertig gemacht hatte.
Für alles übrige lagen nur die Kapitelüber-
schriften und damit der Gesamtplan vor und
einzelne früher erschienene Essays über Einzel-
punkte. Sauer selbst gesteht: „Hätte es sich
nicht um eine Ehrenschuld gegen einen mir teuren
Toten gehandelt und um ein Werk, das seinem
Charakter und Inhalt nach das Wirken der
Kirche und des religiösen Gedankens in der
Menschheit auf einem der schönsten und edelsten
Gebiete schildern und damit gegenüber den
tausend und tausend Vorurteilen und dem Heer
von Unverstand und Unkenntnis eine spontane
Apologie des A,öyog d-elog in der Kunst geben
will, um ein Werk also, das für den Fachmann

wie den Geistlichen absolut nottut, ich hätte mich
der Aufgabe nimmer unterziehen dürfen und
können." (S. XI.)

Professor Sauer hat seine schwierige Aufgabe
in glänzender Weise gelöst. — Nicht nur ist
stilistisch zwischen den Partien, die von Kraus
selbst stammen, und der Arbeit Sauers kein
Uebergang zu bemerken, auch an Kenntnis der
Literatur steht er seinem Lehrer in keiner Weise
nach. Wie Kraus, so legte auch Sauer es darauf
ab, die Beziehungen der Kunst zur jeweiligen
Kultur und zum religiösen Geiste in scharfer
Zeichnung hervortretcn zu lassen.

Das Werk behandelt die i t a l i e n i s ch e Hoch-
renaissance, die großen Meister Fra Bartolo-
mco, Lionardo, Michelangelo, Raffael, die Archi-
tektur der Cinquecento, die Pflege der Antike in
der Renaissance, die Malerei der Spätzeit
(Andrea del Sarto, Correggio, Sodoma, die
Venezianer).

Es ist ein wahrer Genuß, dieses grandiose
Werk durchzustudieren und dem Verfasser auf
den viclverschlungenen Pfaden der Renaissance-
kunst zu folgen. Mit bewundernswertem Scharf-
sinn mw einer Literaturkenntnis, welcher höchstes
Lob zu spenden ist, weiß er feinsinnige Analysen
der einzelnen großen Kunstschöpfungen zu geben,
die er stets im Lichte theologischer oder praktisch-
religiöser oder allgemein kultureller Strömungen
aufzuzeigen versucht.

Besonders erfreulich erscheint mir der Nachweis,
daß die Nenaissancekunst der Hochrenaissance eine
durchaus christliche Kunst ist, daß sie — mochten
auch die Ausdrucksmittel noch so sehr gewechselt
haben — doch ganz in dem theologisch-religiösen
Ideengehalt des Mittelalters stand. — Sehr an-
ziehend ist auch der Hinweis auf die grandiosen
religionsphilosophischeu Grundgedanke», der groß-
artigen Heidentum ■— Judentum — Christentum
umfassenden heilsgeschichtlichen Führung der
Menschheit durch Gott. ■— Richtig ist auch der
bereits von Bischof v. Keppler in dem prächtigen
Essay über „Raffaels Madonnen" ausgeführte Satz,
daß Raffael das Btadonuenidcal keineswegs
profaniert habe, sondern geradezu liefe religiöse
Gedanken hineinverslochten habe. — Auch für
Michelangelos Kunst vindiziert Sauer energisch
den Charakter einer tief theologischen und tief
religiösen Kunst. Man wird nicht umhin können,
ihm hierin im wesentlichen beizustimmen. Wir
dürfen eben die großen Gemälde und anderen
Werke Michelangelos nicht nach dem bloßen sub-
jektiven Eindruck bemessen, den sie auf den
heutigen religiösen Menschen machen, sondern
müssen von ihrem Inhalt und ihrem Zusammen-
hang mit der Theologie ausgehen. Insbesondere
ist ihm der Nachweis gelungen hinsichtlich der
Sixtina und der Pieta in St. Peter. Aber auch
im ganzen genommen wird mau dem Verfasser in
der Hauptsache beistimmeu müssen, Btichelangelo
hat mit der Ueberlegenheit des Genies die große»
Gegensätze des Humanismus und des christlichen
Glaubens in Eins zu bilden verstanden.

Auch hinsichtlich der Stellung Michelangelos zur
Kirche finden sich die seltsamsten Entgleisungen selbst
in ganz bedeutenden Werken. So hat noch aller-
neuestens C. Frey ihn — nach Vorgängen wie
Thode — zum Anhänger der lutherischen Sola
 
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