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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 11
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Pfeffer, Albert: Paramentik-Fragen, [3]: ein Vortrag von Stadtpfarrverw. Alb. Pfeffer in Balingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0121

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106

Geschmack müssen -Produzenten und kau-
fendes Publikum haben, daß sie Gutes
und Unfeines unterscheiden können. Dazu
soll die heutige Ausstellung alter Para-
mente erziehen; sie soll demonstrieren, daß
bei diesen alten Arbeiten sich „kirchlich"
und „geschmacklos" nicht decken. Wie
unharmonisch und unerträglich die Mehr-
zahl der heutigen Paramente wirkt, konnut
scharf zum Bewußtsein, wenn man sie
in die Nähe alter Stoffe, alter kirchlicher
Bekleidungsstücke bringt. Immer wird
das Neue sriedenstörend, aufdringlich,
schreiend wirken.

Empfehlenswert wird es sein, bei An-
schaffung einer neuen Kasnla, eines neuen
Rauchmantels ein größeres Stoffmuster
oder mehrere verschiedene Nuancen einer
Farbe, etwa Not oder Violett zum Altar
zu legen und auszuprobieren, wie der
Farbton sich einordnet in das gesamte
Milieu der Kirche.

III. Der Schmuck.

Die äußere Erscheinung und die Stim-
mung eines Paraments wird hervorge-
rufen durch die Form, das Material, die
Farbe und den Ton des Stoffes, der
verwendet wird. Die Tönung des Para-
mentenstoffes muß die Dominante an-
geben, wogegen der Zierat und das
Ornament nicht mehr aufkommen kann
und soll. Aber die farbige Stimmung
eines kirchlichen Gewandstückes kann ge-
steigert werden durch geschmackvoll und
mit feinem Sinn fürs gehörige Maß eiu-
gefügte Ornainente und Schmuckformen.
Darum ist das dritte für Wirkung und
Wert eines kirchlichen Kleidungsstückes
mitbestinunende Moment der Schmuck.

Ein Kennzeichen eines guten Teils
der Paramente von heute ist, daß sie
mit Schmuckformen förmlich übersät sind;
jedes freie Plätzchen bekommt seine Blu-
men und Ranken, so daß ein Meßgewand
wie ein Filigran, wie ein buntblühendes
Gartenbeet eines Kunstgärtners aussieht.
Ist das notwendig, daß das Ornament
mit seinen Ranken und Passifloren alles
überwuchert? Ist das Ornament an den
kirchlichen Gewändern überhaupt not-
wendig? Bei Fra Angelico da Fiesole,
van Eyck, Raffael, Rubens ist die Albe,
die Gewandung der Engel und Priester

ohne jeglichen Schmuck. Ein weißer,
weiter, unter der Brust durch einen Gürtel
zusammengefchlossener, die Füße umwal-
lender, aus reiner, einen kräftigen Falten-
wurf bedingender Leinwand gefertigter
Talar, das ist bei aller Einfachheit das
vornehmste, edelste Gewand. Bei aller
Schmucklosigkeit hat es etwas Schönes,
Reines und Strenges. Unvereinbar mit
diesem ernsten Charakter der Albe sind
die heute vielfach verwendeten, den unteren
Abschluß bildenden durchbrochenen Spitzen.
Als Mißgriff sind diese Spitzen schon
auf den ersten Blättern des ehrwürdigen
Kirchenschmnckes bezeichnet worden. An
ihrem unteren Ende ist die Albe am
meisten der Reibung und Abnützung aus-
gesetzt; zum Abschluß taugt daher, schon
wegen der gefährlichen Nähe der Stiefel,
ein so zartes Gebilde wie eine durch-
brochene Spitze nicht; der Saum muß
vielmehr der verstärkte Teil sein. Soll
die Albe durch einen ihrem Charakter
angemessenen Schmuck zu ihrer Würde
wieder zurückgeführt werden, kann man
Bordüren aufsticken oder einen Besatz
anfnähen, aber dieser Besatz sei schmal,
von kräftiger Wirkung, damit er das
Gewand abschließe und ihm eine ab-
grenzende Bestimmtheit gebe, sowie dein
Saum eine gewisse Festigkeit verleihe.
Auf seinem herrlichen Verkündigungsbild
in der Stuttgarter Gemäldegalerie be-
kleidet Zeitblom den Engel mit einer in
großen Falten niederwalleuden Albe, die
einen schmalen 2—3 cm breiten grünen
Saum aus halben Bogen als einzigen
Schmuck aufweist: und doch hat das Ge-
wand eine festliche, ernste Wirkung.

So ist es auch denkbar, ein schönes
Meßgewand herzustellen ohne jeglichen
Schmuck. Der einzige Schmuck märe ein
edler, weicher Stoff, etwa wie die beiden
Firmen Gotzes in Krefeld in wundersamer
Schönheit solche Stoffe weben, ein ein-
faches gut proportioniertes Kreuz in Bor-
ten aufgenäht, das Gewandstück mit einer
Borte oder farbigen Schnur eingefaßt.
Ein solches schlichtes, solides Werkstück
wäre einer unsoliden mit Ornamenten
überhäuften französischen Importware
weit vorzuziehen. Eine gewisse Richtung
im heutigen Kunstgewerbe will überhaupt
das Ornament und den Schmuck ganz
 
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