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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 11
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Baur, Ludwig: Die Ausstellung für christliche Kunst in Düsseldorf 1909, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0124

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109

zwischen Natur und Uebernatur, Mensch-
lichem und Göttlichem bewußt blieben
und sie auch zum sichtbaren Ausdruck
brachten. Nicht das ist die Forderung,
daß das Göttliche und Ueberirdische er-
schöpfend und faktisch dargestellt werde —
das ist unmöglich! — aber daß es
durch die Ehrfurcht, mit der es behandelt
ist, sich Herausfuhlen lasse und sich uns
aufzwinge, das muß man verlangen können.
So wenig der Philosoph und Theologe
das Wesen Gottes oder des Gottessohnes
in völlig adäquater Weise zur Erkenntnis
und Darstellung bringen kann, so wenig
vermag es der Künstler, ja, er noch weniger,
da er im Nahmen des Bildlichen, Räum-
lichen bleiben muß. Aber was er kann,
das ist, die heilige Scheu, die tiefe Ehr-
furcht vor dem Göttlichen darzustellen
und erkennen zu lassen. — Das haben
nun eben die Nazarener, erfüllt von Glau-
ben an Gott, an die Gottessohnschaft
Jesu, erfüllt von Ehrfurcht vor dem Hei-
ligen, getan. Darin liegt ihre bleibend
wertvolle Vorbildlichkeit für den modernen
katholischen Künstler. — Welche Seite
nun der Künstler im Göttlichen besonders
betonen wolle, das steht ihm frei, bezw.
das hängt vom Stoffe ab. Die Nazarener
betonten — in Raffaels Spuren wan-
delnd — mehr das Liebliche, Tröstliche,
väterlich Herablassende in der Gottheit.
— Es mag unserer Zeit entsprechender
sein oder näher liegen: das Rätselvolle,
das uns zu denken gibt, das Uuerforsch-
liche, das uns auzieht, das Machtvoll-
Ueberlegene, an Dem wir Halt suchen,
herauszugreifen. Es mag dem heutigen
Künstler näher liegen und anziehender er-
scheinen, von dem Verhältnis des erbarmen-
den Gottes zur Seele lieber auszugeheu, als
von dem Verhältnis des schöpferischen
Gottes zur Natur. — Gut! Sei es darum!
Aber eines muß verlangt werden: daß
Gott nicht naturalisiert, vaß das Göttliche
nicht zum rein Menschlichen herabgestimmt
oder gar gemein werde.

Das zweite, das uns die Nazarener
lehren und was die heutige Zeit als wert-
volles Element in ihr eigenes Schaffen
herübernehmeu dürfte, das ist die Klar-
heit des Inhalts u 11 b der For in.

Die moderne christliche Kunst hat sich
—■ wie ich glaube unter dem Einfluß des

Schleiermacherschen und Jakobischen Reli-
gionsbegriffs — zu sehr vom vagen Ge-
fühlsmäßigen leiten lassen. Die einfache,
schlichte Verstandesklarheit, die schlichte
Anerkennung des Faktischen tritt (wenigstens
in den Extremen) oft ganz zurück. Zum
Beweise dafür vergleiche man einmal die
sogenannte „Verkündigung" von Hein-
rich Vogeler. — Wer würde denn eigentlich
hinter einem ans grüner Wiese inmitten
von Gänseblümchen sitzenden Mädchen im
grünen Kleide und diesem Gitarre oder
Mandoline spielenden Mädchen im blauen
Kleide eine „Verkündigung" suchen? —
Daß es so bezeichnet wird, ist nichts mehr
und nichts weniger als eine Fälschung,
weil es die poetisch allegorisierende und
naturalisierende Verflüchtigung eines ge-
schichtlichen heiligen Vorgangs zu einer
„Frühlingsszene" ist.

Man hat gesagt: die Nazarener haben
das Gefühl für Farbe und die Farben-
technik nicht gehabt. Das ist ganz sicher
nicht allgemein richtig. Aber das ist gewiß,
daß gerade auf diesem Gebiet ein zweifel-
loser technischer Fortschritt der Malerei
liegt. Die Farben- und Lichtexperimente
der neueren Kunstrichtungen der Freilicht-
malerei, des Impressionismus, des Poin-
tismus und wie diese Maler-„ismen" alle
heißen, sind nicht ganz ergebnislos ge-
wesen, so wenig sie in ihrer extremen
Ausbildung auch berechtigt sein konnten.
Aber sie haben die Fähigkeit des Farben-
sehens und der Wiedergabe des Lichts
> außerordentlich erhöht. — Wird nicht
dadurch eine feste Richtung gewonnen wer-
den können, daß man mit dieser Farben-
kunst wieder mehr Zeichnung verbindet?
daß man diejenigen Maler, deren Be-
streben dahin geht, fördert und ihren Be-
strebungen gerecht wird?

Eine andere Wendung, die damit zu-
sammenhängt, läßt sich zugleich beobachten:
die neueste Wendung geht auf eine mög-
lichste Vereinfachung in Komposition und
Form. Man braucht nur die Werke von
Maurice Denis, Puvis de Chavannes, Ale-
xandre Seon ans französischer Seite, die
neuen Bilder von Füget (für den Chor
der Stadtpfarrkirche in Ravensburg: Jo-
hannes in der Wüste predigend, Petrus
von Andreas dem Herrn entgegengeführt)
und die Franziskusbilder des nicht weniger
 
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