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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 12
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Baur, Ludwig: Ein heiß umstrittenes Marienbild, [1]: die "Madonna mit der Wickenblüte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0130

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114

verzeichnet und — seine Echtheit voraus-
gesetzt — ist es heute kaum mit Gold
anfzuwiegeu: das ist die Madonna
mit der Wickeublüte. Man meist
sie bisher allgemein dem Kölner Meister
Wilhelm v. Herle zu. — Diesem wer-
den noch einige andere Biloer zugeschrieben,
wie z. B. die mit nuferer Madonna sehr
eng verivandte Madonna mit der
E r b s e n b l ü t e im Germanischen Museum
zu Nürnberg und das Veronikabild
in der Münchener Pinakothek. Wir wissen
von diesem Meister Wilhelm nur, daß er
in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts in Köln wirkte und dort im
Rathaus malte. Aber die Zuweisung der
einzelnen Werke an ihn ist durchaus un-
sicher bezw. nicht unangefochten.

So sagt z. B. Voll auch bezüglich
des Veronikabilves in der Münchener
Pinakothek: „Man nennt ivohl als Ur-
heber der Veronikatafel einen zwar ur-
kundlich gesichelten, aber in seiner Tätig-
keit nicht faßbaren Meister Wilhelm
von Köln, oder auch jenen Wynrich
v. Wesel, der Frau Jutta, die Witlve
Meister Wilhelms, geheiratet hat und um
das Jahr 1400 der bedeutendste kölnische
Maler gewesen ist. Solche Namen tun
hier nichts zur Sache, da wir sie doch
nicht mit Sicheiheit für das schöne Bild
(Veronika mit dem Schweißtuch) ansetzen
dürfen*)."

Das wäre nun freilich nicht das
Schlimmste, wenn mau sich bezüglich des
Kölner Bildes der Madonna mit der
Wickeublüte nur in der Person des Künst-
lers geirrt hätte: aber der neueste Streit
gehl weiter. Man bezweifelt, ob wir
überhaupt ein altes Bild, oder aber eine
neuzeitliche Fälschung vor uns haben.
Den ersten Hauptvorstoß gegen die Echt-
heit der Madonna mit der Wickenblüte
machte neuerdings Poppelreuter in
der Zeitschrift für christliche Kunst 21
(1908/09) 345 ff.

Er geht gerade wie der Restaurator
Fridt zunächst von rein technischen Grün-
den aus, nämlich von der breiten Form
der Craqueliernug (Nißbildung). Ueberall,
wo dunkelbraune Farben aufgetragen waren,

K. Voll, Führer durch die alte Pinako-
thek. München 1008, S. 9 f.

ist die Malschicht, die zudem außergewöhn-
lich dünn ist, breit geborsten mtb läßt
unmittelbar den weißen Kreidegrund dnrch-
schimmeru. Er verfocht die Meinung,
daß die bei der Madonna mit der Wickeu-
blüte beobachtete Form diejenige des
19. Jahrhunderts sei, wie sie besonders
an Bildern von Hans Makart sich nach-
iveisen lasse, an einzelneli Bildern von
Munkacsy und Lenbach.

Ferner erregte Verdacht der Gold-
grund. Derselbe lasse nirgends sicher
das in der alten Malweise übliche rote
Pigment unter der Vergoldung Nach-
weisen. Vielmehr erscheine bei leichten
Abschürfungen der iveiße Grund, manch-
mal aber ein schwaches Rot, das auch
von einer bloßen Schellackschicht herrühreu
könnte. „Kurzum, man erhält eher den
Eindruck von einem Experiment, welchem
es gelungen ist, der alten Technik recht
nahe, aber nicht gleich zu kommen." Poppel-
renter führt dann noch eine Reihe anderer
Momente auf: wie das Vorhandensein
metallener Scharniere, deren Form eher
an Empiremöbel erinnere, die Art der
Tafel, die Zusammenstellung der Bilder
auf der Vorderseite: das Zarte, Senti-
mentale der kölnischen Madonnenvarstel-
lungen, auf der Rückseite das brutal
Rohe des auskeimenden Realismus des
15. Jahrhunderts (Szene der Dornen-
krönung). Endlich seien es die Farben-
töne, welche auffallen müssen. Es zeige
sich hiebei die Neigung, die für den An-
fang des 19. Jahrhunderts charakte-
ristisch erscheine, die naiven Farbentöne
der Schule vom Beginn des 15. Jahr-
hunderts zurückzustimmen, so daß gewisse
charakterlose Mischtöne entstehen, z. B. ein
schmutziges Brauuviolelt — überall lasse
sich eine Vorliebe für Untermischung mit
Braun konstatieren. — So kommt Poppel-
reuter zu dem Schluß: die Madonna mit
der Wickeublüte sei eine Fälschung des
19. Jahrhunderts, der die Brüder
Boisseree zum Opfer fielen. Der Fälscher-
Habe sich aus den Vorbildern der Köl-
ner und westfälischen Schule seine Einzel-
heiten zusammengestellt und die etwas
derbereil Formen der Vorlage in süßlicher
Manieriertheit wiedergegeben. Besonders
deutlich sei die Nebereinstimmung des
Kindes und seiner liebkosenden Haltung
 
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