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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 12
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Pfeffer, Albert: Paramentik-Fragen, [4]: ein Vortrag von Stadtpfarrverw. Alb. Pfeffer in Balingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0134

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hatte das Osiandersche Paramentengeschäft
zwei gute Meßgewänder ausgestellt, von
Direktor Kolb-Stnttgart und Professor
Naumann -Dresden entworfen. Beide
zeigten ein redliches Streben, aus der alten
Formensprache herausznkommen. Die
Münchener Ausstellung 1908 zeigte Meß-
gewänder von Bernhard Wenigs), Pro-
fessor Spieß und Augustin Pacher und
Fahnen von Bernhard Wenig.

Gegenüber diesen erfreulichen, mehr
sporadischen Anläufen zu einer Besserung
in der Paramentik haben die Benedik-
tinerinnen des Franenklosters Sankt
G a b r i e l i n S m i ch o w - P r a g die Sache
systematisch angegriffen. Während der
Ausmalung ihrer Kirche durch die Beu-
roner Künstler haben die Frauen sich ganz
in die Art des Benroner Kunstschaffens
rmd Stilempfindens eingelebt. In dieser
Benroner, etwas ägyplisierenden Fonnen-
sprache haben sie Paramente entworfen
und selber ansgesührt. Im Lause einiger
Jahre sind in stiller, emsiger Arbeit eine
große Reihe ganz eigenartiger Paramente
entstanden, wunderfeine, vornehme Sachen,
die auf einer Knnstansstellnng in Wien
vor einigen Jahren allgcrneine Bewun-
derung und ungeteilte Anerkennung fanden.
Auch die Klosterfrauen von St. Hildegard
bei Rüdesheim und von Eibingen aus
der Benroner Kongregation haben, wie
P. Paulus Krebs dem Schreiber dieser
Zeilen rnitteilt, den ewigen Passions-
blumen den Abschied gegeben und ange-
sangen, in der Benroner Formensprache
Neues zu schaffen. Der Wert und die
Bedeutung dieser Benroner Pararnente
liegt darin, daß mit Bewußtsein die her-
kömmliche ausgetretene Formensprache
verlassen wird, daß sie nicht Kopien,
sondern eigene Schöpfungen nach selb-
ständigen, zuweilen etwas sehr ägypti-
sierenden Entwürfen sind. Es sind Stücke
dabei, die guten, alten Werken ebenbürtig
erscheineiH.

In ähnlichem Sinne wie diese Bene-
diklinerinnen ist in Tübingen eine junge
Künstlerin tätig, Fräulein Elisabeth l 2

l) Heber dieses Gewand siehe „Archiv für
christliche Kunst" 25 (1908) S. 28.

2. Siehe „Kölnische Volkszeitung" Nr. 836 vom
27. Sept. 1907.

Reis ch l e. Eine glückliche künstlerische
Begabung, eiserner Fleiß und gründliche
Beherrschung der Technik vereinigen sich
und lassen in jahrelangem, mühsamem
Ringen Arbeiten zeitigen, die den Stempel
einer hohen künstlerischen Reife an sich
tragen. Nicht bloß entwirft die Künstlerin
alle Arbeiten, sondern führt sie auch
selbst mit der Hand oder Maschine aus.
Dadurch bekommen ihre Paramente jene
technische Sicherheit und Einheitlichkeit,
die manche neueren Paramentenversllche
vermissen lassen.

Unter den ansgestellten Arbeiten sind
bemerkenswert zwei weiße Meßgewänder
für die Tübinger Stadtpfarrkirche. Aus
dem einen ist der Stab gebildet aus einem
moosgrünen zarten Samt; darauf sitzen
parallele goldene Borten; an den Ecken
sind als Applikationen große gelbseidene
Quadrate, auf welchen einige schlichte
Kreisornamente leuchten; das Ganze macht
sowohl für die Nähe als auf die Ferne
einen überaus feierlichen, festlichen Ein-
druck; und die wenigen Ornamente wirken
wie leuchtende Edelsteine. Das andere
Meßgewand ist nach ähnlichen Prinzipien
gearbeitet: vollkommener Verzicht auf
Disteln und Passionsblumen, dafür in der
Mitte des Kreuzes ein Kreis mit dem
Monogramm Christi. Eine tüchtige Arbeit
ist die Altardecke für die neue Kapelle
des Wilhelmstiftes in Tübingen. Die Or-
namentensprache ist die denkbar einfachste:
kleine Rechtecke, gerade Linien, Kreise und
Quadrate. Abgesehen von der grauen
Farbe der ungebleichten Leinwand treten
nur zwei Farben hervor: ein Blangrün
und ein Englischrot. Die gute Farben-
wahl wie die Proportionierung der For-
men bis ins kleinste hinein bedingen eine
gute Wi>knng. Dasselbe gilt von einer
Taufsteindecke für Hausen am Tann,
eine erfreuliche, mustergültige Stickarbeit.
Wieder ist Rohleinwand verwendet, die
Taube der Oberansicht in weißer Leinwand
appliziert, mit wenigen sicheren Strichen
umsäumt. Die hängenden Teile des Acht-
ecks sind reicher gefchinückt, aber nicht
mit den herkömmlichen Ranken, sondern
rnit schlichten geometrischen Motiveil und
Wellenlinien. Bemerkenswert ist, wie der
Raum durch den Schmuck restlos gefüllt
und der Leinenstoff veredelt wird, wie die
 
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