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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 2
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Rohr, Ignaz: Zur Bucheinbandfrage, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0025

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kserausgegeben mtb redigiert von Universitäts-Professor Or. Banr in Tübingen.
Eigentum des Rottenbnrger Diözesaii-Annstvereins;
Kommissions-Verlag und Druck der Uktien-Gesellschaft „Deutsches Volksblatt" in Stuttgart.

Or. 2.

Jährlich 12 Nummern. Preis durch die Post halbjährlich M. 2.25 ohne
Bestellgeld. Durch den Buchhandel sowie direkt von der Berlagshandlung
Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt" in Stuttgart pro Jahr M. 4.50.

IS>IO.

Zur B u ch einb and frage.

Von Prof. Or. I. Rohr in Straßburg.

„Gotisch bis zum Löschhörnchen und
dn auch noch" pflegte mau in der Zeit
der Golomanie zu spötteln, und mit Recht,
namentlich daun, wenn tüchtige Arbeiten
beseitigt wurden, lediglich weil sie nicht
gotisch, also nicht „stilgerecht", nicht
„kirchlich" waren. Jedoch ein Körnchen
voil Wahrheit und damit auch von Be-
rechtigung steckt in jenem Stilradikalis-
mus, sofern demselben die Ueberzengnng
zugrunde liegt, alles, was beim Gottes-
dienst zur Verwendung kommt, müsse
künstlerischen Charakter haben und da-
durch über die Sphäre der Gegenstände des
alltäglichen Gebrauchs hinansgehoben sein.

Nun nehmen unter den Kultrequisiten
die liturgischen Bücher sicher einen her-
vorragenden Platz ein. Es braucht dafür
keine weitläufigen Belege. Die eine Tat-
sache redet deutlich genug, daß sie unter
ben „Cimelien", die in den Bibliotheken
als kostbares Erbe einer alten, guten
Zeit unter Glas und Rahmen sorglich
verwahrt und dem Besucher mit Vorliebe
und Ehrfurcht zugleich gezeigt werden,
eine besondere Rolle spielen. Miniaturen,
Vignetten, Initialen beleben den Text,
und Goldschmied, Maler, Graveur, Zise-
leur, Elfenbeinschnitzer und Buchbinder
haben oft zusammengewirkt, um demselben
eine entsprechende Hülle und Fassung zu
geben. Selbst mit kostbarem Email
wurden die Buchdeckel gelegentlich ge-
schmückt, wie einige ausgesuchte Stücke in
den Sammlungen Frankreichs, derHanpl-
pflegestätte der Emailknnst, beweisen.

Wie auf so manchem andern Gebiet,
so ist auch hier im Zeitalter der Maschine
manches anders, aber nicht besser ge-
worden. Während die oben genannten
Prachtstücke das Resultat langer, müh-
samer, persönlicher Arbeit waren, liefert
jetzt die Maschine in kurzer Zeit Dutzende
von „Prachtbänden" in schwarz und rot,
braun, grün und blau, vergoldet und
versilbert, mit Schließen und mit Ecken,
vom billigsten bis zum feinsten — und es
ist gut so. Denn wessen Sliftnngskasse
so situiert ist, daß er beim Gedenken an
dieselbe mit besonderem Verständnis und
Gefühl beten kann: „ich bin der Mann,
der Armut sah", der ist froh, wenn er
überhaupt einmal die Mittel zu einem
neuen Missale zusammengebracht hat.
Viel Kunst erwartet er dabei nicht und
bekommt er auch nicht. Aber wenn man
besser situiert ist und für gutes Geld eben
auch wieder nur Fabrik-, also Dutzend-
ware erhält, so ist das ein Mißstand,
der — Gott sei Dank — neuerdings
doch mehr und mehr empfunden wird.
Die Künstler und Knnstschreiber haben
allerdings oft und laut genug über den-
selben geklagt.

Nun ist mit dem Bewußtsein eines
Mißstandes der Antrieb, aber noch nicht
ohne weiteres die Möglichkeit zu dessen
Hebung gegeben. Aber wer redlich sucht,
der findet, uub ans unserm Gebiet haben
die Sucher bereits gefunden, und zwar
da, wohin jene Cimelien weisen, nämlich
bei der Vergangenheit. „Was du ererbt
von Deinen Vätern hast, erwirb es,
um es zu besitzen," das gilt auch hier.
Nur muß man sich erst wieder bewußt
 
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