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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 2
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Rohr, Ignaz: Zur Bucheinbandfrage, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0026

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14

werden, was man eigentlich von den
Vätern ererbt hat — und man ist sich
dessen bereits bewußt geworden. Der
Erneurer des ganzen Buchgewerbes in
England hat den Weg dazu gezeigt, ist
den Alten nachgegangen, hat ihre Technik
studiert, nachprobiert, neuerlernt, aber
nun nicht etwa sklavisch nachgeahnit,
sondern den alten Formen ans der Diese
seines schöpferischen Geistes neues Leben
angehaucht und so schließlich doch einen
neuen Stil geschaffen, wenngleich derselbe
seine Ahnen nicht verleugnen kann. Der-
selbe Weg hat auch in Deutschland dem
alteil Mechanismus mehr und mehr
Gebiet abgernngen. Und zwar hat man
hier gleich die Massen für die neue
Strömung zu gewinnen gesucht durch
Ausstellungen und Vorträge über das in
denselben Gebotene. Dabei hat es sich
nicht lediglich, nicht einmal vorwiegend
unl neue Erzeugnisse gehandelt, sondern
die Leistungen der Vergangenheit nahmen
weitaus den größten Rarnil ein. Und
da wilrde man denn oft ans Schätze
aufmerksam, von bereit Vorhandensein
man keine oder nur mehr eine blasse
Ahnung hatte. Aus Museen, Bibliotheken,
Sakristeien rc. wurden Einbände nnfge-
stöbert, die all die prätentiösen Fabrik-
leistungen neuester Zeit aus dem Felde
schlugen, trotzdem sie sehr oft das Ein-
fache, Schlichte repräsentierten gegenüber
dem Prunkvollen und Ueppigen. Das
Einfache war eben oft das Geschmack-
vollere, Solidere, Zweckmäßigere; es
hatte etwas Persönliches, es ivar — Hand-
arbeit. So blieb denn, um zur früheren
Höhe zurückzukommen, nichts andres übrig,
als die Handarbeit wieder zu Ehren zu
bringen, just so, wie es die Engländer
auch getan. Wie auf andern Gebieten,
so zeigte sich auch hier, daß die Maschinen-
arbeit eben doch nicht alles vermag und
dem Kunsthandwerk das Feld räumen
muß, wenn wirklich etivas Künstlerisches
geschaffen werden soll.

Zilm künstlerischen Schaffen gehört aber
auch die Gabe selbständigen Erfindens und
Gestaltens. Mit dem Kopieren alter Buch-
deckel war wohl eine gewisse Handfertigkeit
erreicht, allein unsere Zeit hat wieder andre
Bedürfnisse, als Gotik ltub Renaissance,
Barock und Rokoko. Es galt, neue Formen

zu schaffen. Es war kein radikaler Bruch
mit der Vergangenheit nötig, aber doch ein
Weiterbilden und Fortschreiten. Hier jedoch
versagte das Können der meisten Buch-
binder. Bei der Art ihrer Ausbildung
war dies auch gar nicht zu verwundern.
Da griff die Kunst ein. Wie die ganze
Jnnenkunst, so erhielt die Buchkunst und
auch die Buchbinderei kräftigere Impulse
ans höheren Regionen. Hatten Pankok und
seine Genossen in München eine regelrechte
Werkstätte gegründet, in der Künstler und
Handwerker in gegenseitigem Geben und
Nehmen die Emanzipation vom bloßen
Reproduzieren vollzogen; hatte Peter Beh-
rens ein eigenes Alphabet geschaffen, so
war das Eingreifen berufener Künstler
auf dem Gebiet des Bucheinbandes nichts
Anffälliges mehr. So boten denn Paul
Haustein, Otto Zahn, Margarete Schrödter,
Emmy Hormann rc. Zeichnungen und Ent-
würfe für Bucheinbände und Schreibmap-
pen und sorgten für pünktliche Ausfüh-
rung durch geschickte Handwerker. Richard
Grimm (Krefeld) ist Maler, Graphiker
und Vnchgewerbler in einer Person. Es
bildeten sich Schulen, um Theorie und
Praxis, Entwurf und Ausführung mit-
einander zu verbinden und womöglich in
derselben Hand oder doch wenigstens
unter demselben Dache miteinander zu
vereinigen, oder bereits vorhandene An-
stalten wandten sich dem neuen Gebiete
mit Hingebung und Erfolg zu. Es seien
hier beispielshalber nur genannt die Dres-
dener Werkstätte für Handwerkerknnst, die
Akademie für graphische Künste und Buch-
gewerbe zu Leipzig, die Handwerker- und
Knnstgewerbeschnle zu Elberfeld, die Lehr-
nnd Versuchsmerkstätten zu Stuttgart, die
Buchbinderfachschule zu Berlin, P. Adam
in Düsseldorf, F. H. Ehmckes Werkstätte zu
Steglitz, das Lehr- nitb Versuchsatelier
von W. v. Debschütz in München, die
Kunstgewerbe- und Handwerkerschnle in
Magdeburg rc. Naturgemäß wuchs mit
dem Können auch das Standesbewnßtsein
der Buchbinder. Es bildeten sich Fach-
verbände und sogar eigene Fachorgane.
Am Eifer und redlichen Ringen nach
Weiterbildung und Vervollkommnung fehlt
es also nicht.

(Fortsetzung folgt.)
 
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