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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 5
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Stummel, Helene: Die Farbe in der Paramentik, [5]
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48

Dem so nötigen künstlerischen, geistigen,
veredelnden Einfluß sein. Hiezu ist Voraus-
setzung, daß die Ausdrncksmittel für
das Erhabene vorhanden sind, daß jede
Schärfe der Farbe ausgeschlossen und
alle untereinander harmonisch gestimmt
seien. Dann können die Kaseln in ihrer
verschiedenartigen Bestimmung der Farbe
nach jene eingangs geschilderten Natur-
stimmungen in ihren großartigen Wirkungen
ans das Gemüt des fein empfindenden
Menschen ansüben. Dann wird ein Altar,
ein Chor, die Kleidung der Priester bei
einem feierlichen Gottesdienst wie Gebet,
wie heilige Musik die Herzen hinanreißen zu
Gott, wenn das alles einheitlich geschaffen
ist in den: Gedanken, wie die Fülle des
strahlenden Lichtes der Sonne mit goldigem
Schein in der Gottesnatnr alles zu über-
irdischem Glanze verklärt.

Thront der Heiland in der heiligen
Eucharistie auf dem Altäre, bereit, Licht
und Wärme zu spenden, so umgibt ihn
am würdigsten Weiß ntld Gold, aber ein
Weiß, wie von Gold durchlebt, und Gold,
matt imb glänzend, darauf als Schmuck.
Wenn so Baldachin, Antependinm, Pult-
ltitb Stnhldecken, die Gewänder der Priester
sich vereinigen in dem einen Stimmungs-
gedanken des Festjnbels, wie wir ihn in
der Himmelsfreude uns denken, so ist das
ein wahrhaft gehorsames und verständnis-
volles Eingehen ans die Intentionen der
Liturgie und eine Verherrlichung der
hl. Eucharistie, gewiß so eindrucksvoll, wie
die feierlichen Weisen, die in reicher musi-
kalischer Ausführung von der Orgelbühne
erklingen. Und solche unabweisbare, un-
vergeßliche Eindrücke zu schaffen bei den
vielfachen Gelegenheiten, wie sie der Wech-
)eL der Zeiten in der Kirche bietet, je
nach beit Trauer- und Frendentngen, ist
die heilige große Aufgabe der Para-
men tik. Sie hat das Apostolat, durch
das Auge und das, was es an liturgisch-
farbiger Offenbarung erlebt, die Saiten
des religiösen Empsindens klingen und
schwingen zu machen und zu lebendiges
Anteilnahme an den Mysterien aus dein
Altäre zu führen. Z

bl Im „Trierischen Jahrbuch für AösthetiM
Kultur" 1908, v. Joh. Mumbauer herausgegeben,
enthält „Von der Freude an schönen Stoffen"

Wie so in Weiß und Gold und in
der großen umsassenöen Weise Altar, Chor
und Priester das Bild des Hellen, sonnen-
nnd lichtdurchflnteten Tages in der Para-
menlik wiedergegeben wurde, so kann in
einem einzelnen Gewand aus weich geton-
tem Silberbrokat mit dunkelblauen Stäben,
die mit Silber, Gold, lasnrartig feinen
Farben hell belebt sind, die ernste, reine
Stimmung einer mondhellen Nacht mit
ihrem Sternenschimmer gefunden werden.

Und die ganze vertrauende Hoffnnngs-
sreudigkeit, mit welcher die Natur im
Frühling sich unter der linden Einwirkung
der ersten Sonnentage in ihr vielfarbiges
Grün kleidet, kann in einer Kasel, wie
sie Tafel ll zeigt, zum Ausdruck gebracht
werden. Der Druck gibt nicht das eigen-
artige Leben, Vibrieren der Seide, nicht
den zarten Schimmer der Goldfäden in
der Stickerei wieder, aber er zeigt zum
helleren und kälter getönten Grün des
Musters im Stoff das dunklere und
wärmere Nrännlichgrün des Grundes.
Als schwacher Kontrast steht in dem noch
helleren Grün der Stäbe ein feines Lachs-
rot, dessen Rosetten in aufgelegter Seide
und kleineren Formen in dein abschließen-
den Rand durch Konturen und verbindende
Linienzüge in Goldfäden vornehm und
doch lebensvoll Stäbe und Gewand
schmücken.

Auch die Kasel ans Tafel III, welche
in ihrem Brannviolett als das Extremste
erscheinen muß, wenn man an das Violett
der letzten 60 Jahre denkt, bringt eine
Stimmung znm Ausdruck, wenn sie, in
weichen Falten, mit den dann entstehen-
den Tiefen und Dunkelheiten, an die
Schatten (Die beängstigenden Wolken beim
Gewitter) und die entweichende Finster-
nis erinnert. Nicht als ob mit der Ab-
bildung und Bewertung dieses braun-
violetten Tones an dieser Stelle seine
Alleinberechtigung gegenüber dem scharfen
Violett (Tafel I unten 3) betont werden
sollte. Im Gegenteil soll durch den
Hinweis auf die beiden Extreme nur die
Aussicht eröffnet sein ans eine Reihe der
feinsten Abstufungen, vom starken Blau-
violett, wie es sich nur um den Stimmungs-
voll Helene Stummel weitere Gedanken jfher ein-
heitliche Gestaltungsprinzipien in der Päramentik.
 
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