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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 5
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Stummel, Helene: Die Farbe in der Paramentik, [5]
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49

Ion von dem spektralen Violett entfernt,
und durch Wandlungen zum Rötlichen
hin bis zu feinem Grauviolett, die allen
Anforderungen an Helligkeit, Kraft,
Stimmung und Schönheit entsprechen.
Der eigenartige Schmuck dieses Gewandes
besteht in einzelnen, mit starkem Zwirns-
faden aufgenähten Perlen, die den f eilten
Ton und Schimmer der echten Perle
haben. Die kleinen Goldfleckchen sind
gestanzte Metallplüttchen mit guter Ver-
goldung, abwechselnd mit dem Alpha und
Omega oder feinem Ornament geprägt.
In der Anspruchslosigkeit der Farbe liegt
auch hier wieder der feine Reiz der
Stickerei, welche bei solch einem diskreten
Gebrauch der Perlen nicht unter ein Ver-
bot dieses Materials von seiten der Riten-
kongregation fällt. Dasselbe entstand viel-
mehr in eitler Zeit, als man mit Perlen
wahre Mosaiken für Profanzwecke aus-
führte und diese Art dann auch mit Der
ganzen Schwere und Ueberfülle des
Materials auf die außerordentlich breiten
Kreuze und Säulen der kleinen Kaselform
anwandte, wodurch dieselben ein unerträg-
liches Gewicht erhielten.

Bei Wegfall jener unangenehm bläulich
gefärbten billigen roten Stoffe läßt sich
in der Paramentik kaum gegen ein noch
so starkes Feuerrot eitle Einwettdutig
macheti, sobald es in entsprechetlder Weise
verwendet ist. Natürlich sind alle ge-
ftimmten roten Töne angenehmer für das
Auge utld ttlit ihrer etigeren tltid weiteren
Umgebung leichter und befriedigetlder in
Einklang zu bringen. Auch das Rot auf
Tafel I unten 1 ist eilt gutes Rot geworden
durch den Druck, der den bläulichen Anilin-
schein der Seide nicht durch die Platten
treffen konnte.

Zu der Festfreude eines kraftvollen Rot
stimmen Gold und Silber und alle helleren
Farben der harmonischen Farbenreihen
auf Tafel I, und die Ruhepuukte im
rhythmischen Farbenreigen, der sich auf
dem Rot ergeht, werden rötliches Weiß
oder das dunkelste Rot derselben Skala
des Haupttones bilden.

Aehnlich wie beim Rot ist es beim
Weiß. Zum Weiß kann jede Farbe ge-
braucht werden, und doch wird es darauf
ankommeu, nicht gesetzlos und willkürlich
alle möglichen Töne nebeneinander zu ge-

brauchen. Beim einfachsten Ornament
wollen Farben und Form ihren Rhythmus,
und je maßvoller beide in Anwendung
kommen, umso größer und kraftvoller,
selbst bei zierlichen Formen, wird seine
Wirkung sein.

Wenn einmal wieder ein wahres, tief-
inneres Verständnis für die Farbe in der
Paramentik, für die Poesie dieser be-
deutungsvollen, von so tiefem geistigen
Gehalt getragenen Farbensprache erweckt
sein wird, so kann es nicht ausbleiben,
daß ein solches Verständnis sofort ver-
edelnd auf die Form, als Trägerin der
Farbe im kleinen und großen, einwirken
tvird.

Für dieses Verständnis ist die Erkennt-
nis der Farbenwerte, wie sie Tafel I in
den harmonischen Farben zeigt, ein Weg.
Dort ist klar veranschaulicht, was in der
Natur und in der Kunst malerische Wir-
kung genannt wird, die warme Gesamt-
stimmung, in derselben das Rot als eigent-
liche Farbe, der alle anderen Töne sich
als Begleitung anschließen und unter-
ordnen. Diese sieben Farbenreihen um-
fassen die Töne, welche in der mittel-
alterlichen Stosfweberei und Stickerei die
gleichen waren. Die durch Futter ge-
schützt gewesene Rückseite der ältesten
Gobelins, wie gleichfalls die Seiden der
Stickerei, welche durch die meist mehrfache
Bedeckung mit Stoffen auf der Rückseite
ihre ganze ursprüngliche Frische bewahrt
haben, stimmen dann merkwürdig milchen
Smalten überein, welche, aus frühchrist-
lichen Mosaiken stammend, denselben Far-
benreiz haben, also denselben Farbenge-
danken befolgten und dieses so zuver-
lässige Prinzip, welches auch die Farben-
tabelle Tafel I lehrt *). Die einheitliche

P Die Farbentabelle ist nach Stickseiden her-
gestellt, welche Gottfried Reinhold, Krefeld, Elisa-
bethstraße, angefertigt. Es find die gebräuch-
lichsten Farbenskalen, wie sie ans der Stickerei
der besten Zeiten nachgewiesen und an der unver-
änderten Rückseite alter Kunstwerke der Nadel
festgestellt werden konnten. Es gibt natürlich
noch eine ganze Reihe anderer Farben, doch konnten
nicht alle hier zur Darstellung kommen. Auf
dieser Tabelle ist bei dem Violett besonders die
Abstufung der einzelnen Töne nicht entschieden
genug zum Ausdruck gekommen. An Hand der
Seiden-Musterkarte von Gottfried Reinhold und
auch schon mit Hilfe dieser hier abgedruckten
Farbenreihen lassen sich zuverlässige Farbenan-
 
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