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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 7
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Rohr, Ignaz: Der Dunninger Bildhauer Landolin Ohmacht, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0084

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70

phäen der Renaissance, insbesondere Michel
Angelo, auf der Antike fußten, so wies
er gelegentlich auch seine Adepten ans die
Renaissance hin.

Alan durfte also von Ohmacht nach
den Lehrjahren bei Melchior eine eklekti-
zistische, mit der Antike sympathisierende
Kunstübung erwarten.

Die Erwartung trifft jedoch nur in be-
schränktem Maße zu. Die Dnnninger Re-
liefs zeigen in den Bewegungen nicht die
Hast und die Gespreiztheit des Rokoko,
sind aber in den Formen und namentlich
in den Gesichtstypen dennoch Abkömm-
linge desselben. Auch die Porträts, be-
sonders die in Basel, gehören der gleichen
Stilrichtung an, aber wirken eben deshalb
naturwahr und anmutig zugleich.

Erst die intensive Beschäftigung mit der
Antike während des römischen Aufenthaltes
brachte einen totalen Umschwung. Oh-
niacht ist zunächst völlig im Bann der An-
tike. Die Franengestalt beim Petersdenk-
mal zu Lübeck könnte Kopie einer Antike
sein. Und wo es gilt, mythologische oder
historische Gestalten aus der allklassischen
Welt darzustellen — und unter den größe-
ren Werken übermiegen dieselben —, da
bleibt Ohmacht der Antike treu. Mail
hat ihn denn auch zu ihrenl kritiklosen
Nachbeter stempeln wollen und seinen Ge-
stalten den innerli Gehalt, die Seele ab-
gesprocheli.

Es ist jedoch bezeichnend, daß der, der
dies am schroffsten tut, den Künstler zunl
— Maler macht, also liicht einmal seinen
Kunstzweig, geschweige beult seine Werke
kennt. Bei objektiver Betrachtung wird
man vielmehr zngestehen müssen, daß er
seineil Gestalten recht wohl Seele uiid
Lebeil zil geben weiß. Man betrachte nur
einmal die Nymphenbnrger Figuren. Mail
wird ihnen die Stimmung sofort am Ge-
sicht ablesen können und dieselbe durch die
ganze Körperhaltung nachdrücklich unter-
stützt finden. Rur das ist zuzugeben, daß
ihm diese Belebung ltub Beseelung nicht
immer gleich gut gelungen ist. Nament-
lich beit Karlsruher Figuren wäre, trotz
des hohen Lobes, das sie gelegentlich
ernteten, dennoch mehr geistige Tiefe zrr
wünschen. Der Künstler selber hat es ja
auch eingestaildeii, daß nach der genannten
Hinsicht ein Unterschied in seinen Arbeiteil

derltlich zutage tritt mtb daß ihm nur
bei einer Figur die Beseelung so gelang,
wie er wünschte.

Auch eiil anderer Fehler läßt sich iiicht
verkenneil. In den Nymphenburger Ge-
stalteil und deil Straßburger Theater-
museil schließt sich die Gewandung in
idealem, gefälligem Fluß beut Körper an.
Aber nicht überall hat Ohiilacht dieselbe
Wirkung erzielt. So ist es ihm z. B.
bei den Karlsruher Figuren und an einem
der Grabniäler der Thomaskirche nicht
gelungeii, so einfache und klare Koiltnren
zu erzielen, wie wir sie an der Antike be-
wundern, und so iilachen dieselben denn
eineil schwerfälligen Eindruck — und bei
denselben Figuren läßt auch das Profil
die Erhabenheit verinisseil, die die Antike
ihren Gestalten zu geben verstand. Da-
gegen braucht nian nur iit der Thomas-
kirche zum iiächsteu größeru Deiikiilal zu
geheil, und man wird sofort wieder fin-
den, was man soeben iioch veriiiißt hat.
Ohmachts Kunst hält sich also nicht immer
auf derselben Höhe, aber kommt in ihren
besten Leistungen der Antike doch ziemlich
iiahe. Der letzte Erklärnngsgrund für die
gerügte Ungleichmäßigkeit niag in der Ge-
ringschätzung des Künstlers gegen Akt-
studieil ltitb die Benützung von Modellen
liegen. Er gab sich nicht genug Mühe,
das Leben §u studieren; darum vermochte
er auch ilicht, alleu feilten Schöpfuugeu
in gleicher Weise Leben einzuhauchen.

Der erwähnte aittife Zug bleibt Oh-
machts Kunst nun freilich auch treu, weun
sie iils Leben ihrer Zeit hineingreift. Es
ist nicht nur die Vorliebe für die Biiste
oder Herme, sondern es ist noch etwas
anderes, was an die Antike erinnert. Das
eilte und andere männliche Porträt mahnt
all ein römisches Jmperatorenbild. Selbst
die Büsten Holbeins und Erwins, dieser
echt deutschen Männer, und das Kaiser-
bild im Dom zu Speyer haben einen
Zug, der in die Zeit der Cäsaren weist.

Damit berührt sich eine weitere Eigen-
tümlichkeit der Porträtkunst Ohmachts:
fein Hang zum Idealisieren. Der Büste
des Arztes Reißeisseil sagte man nach, es
sei darin „der Arzt überhaupt" gegebeil,
einen Theologen hielt er im „Moment
der inneren Inspiration" im Marmor fest.
Und ans die Frage: „Wie konnteil Sie
 
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