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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0086

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72

eine wahre und gesunde Freudenbringerin ist;
daß geradezu der Lebenszweck der Kunst in der
Freude zu erkennen sei, in der über die Niede-
rungen des Lebens hinausführenden freudigen
Erhebung (besonders sittlicher und religiöser Art);
weiterhin, daß die Verbindung zwischen Volk und
Kunst wieder gesucht werden müsse. „Für Gott
und für das Volk" — das muß namentlich die
Losung der religiösen und kirchlichen Kunst sein.

Einer besonderen Empfehlung bedarf das
herzerquickende Büchlein längst nicht mehr. Viel-
leicht wäre noch der Gedanke zu erwägen, ob
es sich nicht als Bereicherung darstellen würde,
wenn die Liturgie als Freudenquelle ganz
eigener Art noch besonders behandelt würde.
Ihre kunstvolle Schönheit und freudeschaffende
Kraft wird an mehreren zerstreuten Stellen betont.
Tübingen. Prof. Dr. L. Baur.

Der t> il b e k l e i d e t e Mensch i u der
christlichen Kunst seit 19 Jahr-
hunderten. Eine kiinst- und kulturge-
schichtliche Untersuchung von Or. Bert-
hold Haendke. Straßburg I. H. Heitz
1910. 6 M.

Ein eigentümliches Buch, passend in die Zeit
der Nacktlogen, der Duncans, der Nacktdarstel-
lnngen im Sved-Theater in Stockholm. Zwanzig
Jahrhunderte werden mit „deutscher Gründlich-
keit" auf Nltcktkunst untersucht; sämtliche Maler,
Bildhauer, die einen Namen haben in der Ge-
schichte, werden mit ihren Werken in den Kreis
der Untersuchung gezogen. Zum Teil eine Da-
naidenarbeit! Das ganze erste christliche Jahr-
tausend hat einen nackten Heiland am Kreuze und
ein nacktes erstes Menschenpaar hervorgebracht.
Mit Michel Angelo beginnt die große Wendung
— Abwendung vom Transzendenten, Hinwen-
dung zur Natur, zur „Lebensfreudigkeit", „zur
Fleischeslust". Rubens wird darin größter
Meister, der in Louis Corinths Nacklkunst mit
„ihrer derben, übersprudelnden, übermütigen
Fleischeslust" seine Auferstehung feiert.

Vor Haendkes Kunstbetrachtung findet die
reine, keusche Kunst der alten Italiener, Nieder-
länder, Deutschen, auch die der Präraffaeliten
und anderer wenig Gnade. Er nrißt die Kunst
nicht vor allem am Maßstab des Geistes, auch
nicht der Technik, sondern des Nackten, oder
offen gesagt des Fleisches. Sein künstlerisches
und ästhetisches Glaubensbekenntnis ist ein völlig
neues, aber für den Geist des ganzen Buches
charakteristisches: „Die genaue Kenntnis des
nackten Körpers ist für einen Maler oder Bild-
hauer die unerläßliche Voraussetzung
eines fruchtbringenden Schaffens, an-
derseits die Fähigkeit, die künstlerische Dar-
stellung des Nackten richtig beurteilen zu können,
für ein Volk ein v o r n e h m st e s Z e i ch e n
seiner Kultur." (S. 295 f.) Mit diesem
Urteil hat Haendke allerdings E. Kling er ans
seiner Seite, der sagt: „Das Studium rind d i e
Darstellung des Nackten sind das A
uud O jeden Stiles." Wer darf sich bei
solchen Maximen noch wundern, daß die moderne

Kunst so sehr ins Fleisch geschlagen! Und was ist
dann die Kunst eines Giotto,, Raffael, Fiesole,
Murillo re. wert? Das Buch enthält sonst
manches Gute, Schöne und Geistvolle, manch kurze
treffende Charakteristik eines Meisters oder einer
ganzen Kunstepoche. Indes zwingt uns unser
ganz entgegengesetzter Standpunkt, dasBuchab-
z u l e h n e n. Denn die Kunst hat wahrlich andere
und idealere Aufgabeir, als die ihr Haendke zu-
weist, die Magd des Fleisches zu fein und die
Liebe zum Nackten zu pflegen. Schon der
Titel d e s B n ch e s i st v e r f e h l t und irre-
führend. Die christliche Kuirst hat nrit
dem un b ek l e id et e n Nt e nsch en im Sinne
Haendkes überhaupt nichts zu tun.
Soweit und solange die Kunst air der Hano
des christlichen Glaubeirs gegangen ist, hat sie
das Nackte bekleidet, wie die natürliche Scham
es gebietet. Zeuge und Beweis dessen ist das
ganze erste christliche Jahrtausend und ein guter
Teil auch der späteren Kunst. Die Nacktkunst
der Italiener, Holländer und Franzosen vom
15. Jahrhundert ab ist n i ch t ch r i st l i ch e Kunst,
sondern Produkt der Neuaifsanee, eines re-
p r i st in i e rt e u Heidentums. Und wer
wollte die Kunst eines Couture, Chaplin, Makart,
Greiner, Corinth als christlich bezeichnen!

Die christliche Kunst hat nichts gemein mit der
„modernen Freude am Gefäß der Sünde", sie
hat die Nacktheit nie als „ein schönes, gottge-
schenktes Gewanv" betrachtet, sondern als Blöße,
d i e S ch u tz und H ü l l e braucht. Diese Hülle,
von dcr Natur selbst gefordert, wirv nur abgelegt
zugleich mit dem Anstands- und Schamgefühl.
Das wollen wohl auch Schillers Worte besagen:
„Die Gesetze des Anstandes sind der un-
schuldigen Natur fremd; nur die Erfahrung der
Verderbnis hat ihnen Ursprung gegeben. Sobald
aber jene Erfahrung einmal gemacht worden und
aus den Sitten die natürliche Unschuld verschwun-
den ist, so sind es heilige Gesetze, die ein
sittliches Gefühl nicht verletzen darf. Sie gelten in
der künstlichen Welt mit demselben Recht, als die
Gesetze der Natur in der Unschuldwelt regieren."
Die moderne Menschheit wie die moderne Kunst
wird wohl niemand als Unschuldwelt bezeichnen
wollen. Darum sollen heilig sein und bleiben
die Gesetze von Anstand und Scham.

H e i d e n h e i m. Dr. E hrha r t.

Seelen gärt! ein. Katholisches Gebetbuch
voit Stephau Beissel, 8. J., Freiburg
i. Br. (Herder) 1910, in Ganzleder mit

Deckenpressnng geb.

Eine Anzeige dieses Büchleins im „Archiv"
rechtfertigt sich durch die künstlerische Ausstattung,
welche Verfasser und Verlag dem „Seelengärt-
lein" gaben: die feine Lederpresfung des Ein-
bandes (Kreuzesszene), die Illustration des Büch-
leins mit Holzschnitten, das starke feine Papier
und die gotischen Lettern kommen einem in
neuerer Zeit wiederholt geäußerten Wunsch ent-
gegen, unsere Gebetbücher auch wieder künst-
lerisch auszustatten. — Das Büchlein wird sicher
Freunde gewinnen.

Tübingen. L. B aur.

Stuttgart, Buchdruckers! der Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".
 
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