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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 11
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Schöninger, Artur: Wanderungen durch neue und erneuerte Kirchen, [1]
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Escherich, Mela: Eduard Steinle und die Stuppacher Madonna Grünewalds
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0125

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— 10 3

sich der Künstler weiter entwickeln wird,
darf mit Spannung erwartet werden.
Er wöge es aber ob der Ungewohntheit
manch einem Beschauer nicht verübeln,
wenn statt enthusiastischer Begeisterung
und rückhaltloser Anerkennung eitle etwas
kühlere Anschauungsweise sich knndgibt
und Einzelheiteti getadelt werden. Es
ist noch keiti Künstler fertig vonl Himmel
gefallen und oie Kritiker weltlicher Kunst
haben schärfere Messer, als die kirchlicher,
ntid tnehr Launen, als konservative, kirch-
liche Autoritäten.

Ein Schwarzwaldkirchlein im oberen
Neckartal wollen wir tioch anfsnchen, mit
eine der Stimmung des Orts entsprechende
Bemalung zu beschauen, in Sp f e n d o r f,
OA. Oberndorf. Es ist der Ort, der
den ältesten gestifteten Jahrlag in der
Nottenbnrger Diözese answeist, nämlich
eine jährlich Anfang Oktober zu haltende
Jahrzeit für die Herzogin Hadwig von
Schwaben (f 994). Die Kirche ist nur
mit dem massigen Ostturm und der ton-
nengewölbten Sakristei alt. Aber dem
altertümlichen Charakter von Ort ttnd
Kirche (Patron der Frankenheilige Re-
migius) wurde Nechnnng getragen bei
der Nenbemalnng durch Schiller und
Ostermaier, und zwar in origineller Weise.
Die Behairdlnng der Decke mit relief-
artigem Bild, der markante Chorbogen,
die Wandverkleidung mit Platten in gnt-
gestimmlen Tönen, auch die Fenster, alles
zusammen gibt ein Bild, das, obwohl
modern gehalten, eine altertümliche Stiin-
nlung hervorbringt. Das Mobiliar ist
leider wieder nenromanisch ans den 70er
und 80er Jahren, stört aber wenigstens
nicht. Besonders lieblich ist die flache
Decke des Tnrmchors. Die Epfendoiser
Kirche bedeutet ebenfalls einen Fortschritt,
ein Losringen vom Konventionellen, ohne
damit völlig mit aller Tradition zu
brechen und historische Rücksichten zu ver-
leugnen.

Jur gleichen Oberamt, am äußersten
Ende des Landes, gegen Baden hin,
wurde im Sommer 1908 die Kirche zu
La nt erb ach int romanischen Stil von
Mayer-Nenhansen und Kaltenbacher be-
malt. Das Urteil darüber muß der
Schreiber andern überlassen.

Es könnte hier noch besprochen werden

die Bemalung einer in ganz besonderein
Stil gehaltenen Kirche, nämlich der in
den Jahren 1850—1852 erbauten Pfarr-
kirche zu Neu Hansen ans den Fildern.
Der großartige Ban zeigt den von dein
badischen Banrat Hübsch erfundenen, neu-
byzantinischen Stil. Jin Innern gleicht
er mehr einer Markthalle, entbehrt aber
auch da nicht ganz der Grazie und Maje-
stät. Es war ziemlich schwierig, diesein
Interieur ein malerisches Gewaud zu
geben. Schiller und Ostermaier haben
hier eine ihrer ersten Proben ihres Kön-
nens und Schaffens gegeben. Besonders
charakteristisch ist der kräftige doppelte
Chorbogen und besonders malerisch das
Chorgewölbe und der Wandteppich im
Chor behandelt. In diesen weiten Räu-
men und Flächen macht sich das groß-
blättrige und großrankige Ornament, das
eine Eigenheit besagter Maler bildet, be-
sonders gut. Bemerkensivert sind auch die
nach Entwürfen der beiden Künstler gefer-
tigten Leuchterarme im Chor. (Forts, f.)

Eduard Steinle und die Stuppadicr
illa&oiura Grüuewalds.

Von Meta Esch er ich, Wiesbaden.

Es gewährt immer eine freudige Ueber-
raschnng, wenn inan den herrschenden
Geschmack der eigenen Zeit durch ein
Einzelnrteil des Vertreters einer früheren
Generation bestätigt findet. Eitle solche
Ueberraschnng wird uns in dem neu-
erschienenen Steinle-Werk (Verlag Kösel,
München) zuteil. Wir sehen da in
der „Madonna unter bem Regenbogen",
einem Aquarell voll 1881, eine freie
Nachbildung der vor zwei Jahren enl-
deckteil Stnppacher Madonna von
Grünewald. Wie mir der Sohn des
Meisters und Herausgeber des Steinle-
Werkes, Herr Justizrat Alphons v. Steinle
gütigst mitteilt, ist das Aquarell die Frucht
einer Künstlerfahrt Steinles durch Wiirt-
temberg, bei der auch Stuppach durch-
wandert wurde. Steinle, der kongeniale
Nachdichter so vieler altdeutscher und
italienischer Madonnen, scheint von der
Grünewaldscheu Tafel einen starken Ein-
druck empfangen zu haben. Am meisten
fesselte ihir die für Grünewald so charak-
teristisch eigenartig gebogene linke Hand
 
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