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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 1
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Groner, Anton: Ueber das Bronzeportal der Beneventaner Kathedrale
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0011

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reich mit ornamentalem Reliefschmuck ver-
zierten Marmorgebälks ch auch auf das
Brouzewerk bezogen, und Roger, der sich
darin mit berechtigtem Küustlerstolz als
den Schöpfer der Marmorskulplureu be-
kennt, mit dem Beneventaner Erzbischof
und Kardinal Roger identifiziert wordeilch.
Die Enlstehungszeit ist also nur ans inhalt-
lichen und stilistischen Indizien zu ermitteln.

Jeder der beiden Flügel wird durch
einen gehöhten ornamentalen Streifen in
9/4 Felder abgeteilt, so daß die ge-
schloffene Türe 72 Felder, nämlich je 8
in 9 Qnerreihen, zeigt. Von den 72 Fel-
dern enthalten 33 Szenen ans den Evan-
gelien, 25 sind den Bischöfen der Kirchen-
provinz Benevent gewidmet und 4 durch
Türklopfer versperrt. Die 33 neutesta-
mentlichen Darstellungen fußen noch ganz
auf bem Kanon der karolingisch-ottonifchen
Bilderbibel; doch macht sich nicht bloß in
der künstlerischen Behandlung, sondern
schon in der Auswahl und Gruppierung
der biblischen Begebenheiten ein eigenar-
tiger, individueller Zug riicht unwejentlich
geltend.

Der Zpklits beginnt in der obersten
Qnerreihe des linken Flügels mit der Ver-
kündigung, der sich die Heimsuchung, die
Geburt Christi und die Botschaft an die
Hirten anreiheu. Die obersten vier Fel-
der des rechten Flügels sind ausschließlich
den Magierri gewidmet: ihre Reise unter
Fühlung des Sterns, Besuch bei Herodes,
Huldigung vor denr Christkind rliid ihr
Tratlin, in welchem sie durch beit Engel
vor der Rückkehr zu Herodes gewarnt
werden. Daß der Geschichte der Drei
Könige vier Kassetten geopfert werden,
ist iitllso beachtenswerter, als die genann-
ten vier Ereignisse zwar sämtlich der mittel-
alterlichen Krtiisl geläufig waren, aber nie
zuvor alle zusammen, sondern nur einzeln,
oder zu zweien, selten zrt dreien Vorkommen ff.

1) Haec Studio sculpsit Rogerius et bene

junxit

Marmora, quae portis tribus cernuntur
in istis

Et quae per purum spectantur lucida
mumm.

2) Roger regierte seil 1179, wurde 1205
Cardinal mit dem Titel 8. Anastasia und starb
liilB ' (ugl. Eubel, Hierarchia cath., p. 4;
sonst üverall irrig das Todesjahr 122t).

B) Vgl. die Zusammenstellung bei Beissel,
Ceschichte der Evangelienbücher (1906) S. 337 ff.

Die zweite Reihe des liitken Flügels
gilt der Kindheitsgeschichte. Denr nächt-
lichen Befehl arr Joseph zur Flucht folgen
die Reise nach Aegypten, der Kindesmord
tlud die Darstellttug Jesu. Rechts rvird
das erste Auftreten Jestr berichtet: der
Zwölfjährige unter den Schristgelehrten,
die Taufe im Jordan, das Wunder in Kana
tlud die Berufung des ersten Jüngerpaars.

In der dritten Reihe wird die ganze
öffentliche Tätigkeit Jesu bis zur Leidens -
geschichte abgemacht; sehr seltsam erscheint
die Auswahl dieser acht Szenen wie auch
' ihre Grnppierung. Die Reihe beginnt
> nochmals mit der Berufiliig des nächsten
! JüngerpaarsI, schildert dann die wnilder-
! bare Brotvermehrnng, das Gespräch mit
der Samariterin am Brunnen und schließt
in der linken Hälfte mit bem Einzug
Jesu tu Jerusalem, wobei zugleich Zachäus
ans dem Baum erscheint. Rechts werdell
zunächst zwei Wunder eingeschoben, die
Auferweckung des Lazartis und die Hei-
lung des Blindgeborenen; das letzte
Abendmahl nnb die Fußwaschnug bilden
! den Abschluß.

Schauplatz der nächsten Halbreihe ist
der Oelberg. Jesus wird im Gebet durch
den Engel gestärkt. Das zweite Feld ent-
hält eine merkwürdige Szene. Benturi
läßt hier den Herrn „im Widerspruch mit
der Chronologie die Bergpredigt an die
Jünger" halten^). In Wahrheit schildert
der Künstler die Rückkehr Jesu zu den
schlafenden Jüngern, wobei er sich freilich
absichtlich oder ans Versehen die Freiheit
erlaubt, statt der bekannten drei Apostel
alle elf im Oelgarten zu versammeln. Im
dritten Feld wirst Jesus die Schergeit
durch sein Wort zu Boden, im letzten
läßt er sich von Judas küssen nnb von

l) Benturi (p. 697 f.) hat die beiden letzt-
genannten Szenen irrtümlich als „reichen Fisch-
fang" und „Erscheinung des Auferstandenen am
See" (Joh. 21, 1 s.) gedeutet. Das erste von
den beiden Bildern stellt vielmehr die Berufung
des Petrus und Andreas dar (Matth. 4, 18 s. :
Jesus, am User stehend, beruft die beiden Brüder
zu seiner Nachfolge. Das anvere schildert die
Berufung des Jakobns und Johannes (Matth. 4,
21 s.): Jesus ruft vom Ufer aus die beiden
Männer, die bei ihrem Vater im Nachen arbeiten.
Beide Szenen sind auch sonst in der mittelalter-
lichen wie in der Renaissancekunst verivertet (z. B.
von Ghirlandajo in der Sixtinischen Kapelle).

") a. a. O. p. 700.
 
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