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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 1
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Groner, Anton: Ueber das Bronzeportal der Beneventaner Kathedrale
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0016

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Epoche ganz an den Ausgang des
12. Jahrhunderts. „Der Bildner dieser
Türe ist ein Gelehrter, der aber überall
eigenwillig zu schaffen weiß, ohne sich an
die starren ikonographischen Linien zu
halten. Nicht mehr einfache Buchstaben,
sondern schöne Worte; keine schematischen
Bilder mehr, sondern gewandte und
fließende Erzählungen. Die byzantinischen
lleberlieserungen, luie sie in den Benedik-
tinerklöstern j bewahrt und ausgebildet
worden waren, haben sich hier kristalli-
siert ; aber der Künstler wertet sie um,
bietet sie in neuer Ansicht, gibt ihnen
Lebenswärme, Wahrheit des Details,
malerische Wirkungen, Abwechslung in
Stellung itub Ausdruck. Seine Volks-
menge ist nicht mehr bloß, wie bei den
Byzantinern, ein Hausen Leute, sondern
eine Vereinigung von Menschen, die sich
alte mit individuellen Gefühlen frei ^be-
wegen" 1). Sollte sich dieses Hervortreten
einer selbständigen Künstlerpersönlichkeit,
das sich ebensosehr in der Auswahl und
eigenartigen Anordnung wie in der künst-
lerischen Behandlung der biblischen Be-
gebenheiteil offenbart, nicht noch besser er-
klären, wenn der Bildner des Portals
ein halbes Jahrhundert jünger war, den
Wandel des Knnstgeschmacks mitgemacht
hatte, aber durch eigene Wahl oder
durch den Willen des Auftraggebers
lioch an den traditionellen Kanon der ka-
roliligisch-ottonischen Bilderbibel gebunden
war?

Für die Geschichte der pontifikalen Jn-
siguien stellt unser Kunstwerk ein Unikum
dar. Die 24 Snffraganbischöfe tragen
sämtlich das Pallium, obwohl es sicher-
lich keiner von ihnen besaß, da es an
Suffraganbischöfe nur selten als eine ganz
besondere Auszeichnung verliehen würbe2).
BorgiaI glaubt wohl mit Recht, daß es
sich in Wahrheit nicht um Pallien, sondern
um ähnliche Zierstreifen der Kasel handle.
Gerade ans der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts lassen sich derartige

r) Venturi III, 703.

*3 Vgl. Braun, Pontif. Gewänder (1898),
110 ff.; Ders., Die liturg. Gewandung (1907),
629 s.

8) Memorie istor. della pontif. cittä di
Benevento I (Rom 1763), 313-332.

I Verzierungen der Meßgewänder Nach-
weisen'). Immerhin ist daran festzn-
halten, daß der Künstler diese Streifen
unrichtig modelliert hat; denn ihr unterstes
Ende hängt überall nach Art eines
■ Palliums noch über die Kasel herab.
Richtig ist, daß die Form der 24 Jn-
fulit, wie Ventnli hervorhebt, in das
! Ende des 12. Jahrhunderts weist. Von
da an wurde die Mitra stetig höher und
im späteren 13. Jahrhundert hatte sie
schon eine beträchtliche Höhe erreicht. Aber
gerade italienische Monumente ails der
! zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
zeigen nicht selten wieder die niedrige
Form der Mitra, welche die 24 Bischöfe
der Beneventaner Kathedraltüre tragen,
wie auch der Schnitt ihrer Kaseln und
der griechische Segensgestus mit diesen
Knnstdenkinälern vollkommen harmonie-
ren2). Der in der oben näher beschrie-
benen Szene des 47. Feldes, die ivir
nach Borgia als Obedienzakt eines Be-
neventaner Suffragaubischofs erklärten,
trägt die Tiara. Trotzdem kann dieser
Würdenträger nicht der Papst sein; denn
der eine der assistierenden Diakonen trägt
' den Krummstab. Mögen nun die Päpste
j sich auch im früheren Mittelalter eines
Bischofsstabs bedient haben, so ist dies
sicher für die spätere Zeit des 12. und
für das 13. Jahrhundert ausgeschlossen^).
Die Eigentümlichkeit erklärt sich daraus,
daß die Erzbischöfe von Benevent bis ins
16. Jahrhundert in ihrer Kirche die
Tiara oder, wie sie in Benevent hieß,
das Camelancnm trugen^). Gerade
auch die Form der Tiara scheint in die
zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zu
weisen.

*) Vgl. z. B. Venturi IV, S. 155, 186, 275.

2) Vgl. die Abbildungen bei Venturi IV
S. 56, 58, 59.

3) Vgl. 5traus, Realenzyklop. II, S. 780.

4) Braun (Die liturg. Gewandung, S. 498)
erklärt dies einfach damit, daß sich in Benevent
die ursprüngliche Kegelform der Tiara erhalten
habe. Borgia (S. 327) behauptet, daß die Beue-
ventaner Erzbischöfe das Recht der päpstl. In-
signien, darunter der Tiara, gehabt hätten. Als
ein Seitenstück macht er die Verleihung der päpst-
lichen Insignien an den Patriarchen von Jerusalem
durch Alexander IV. (1254/61), welches der erste
Fall einer solchen Verleihung sei, geltend.
 
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