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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Schöninger, Artur: Wanderungen durch neue und erneuerte Kirchen, [3]
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18

und Reliefnischen) die Krenzignngsgruppe
frei dastehen nuit De ohne Rückwand und
Baldachin, so daß das Fenster dahinter
ganz zur Geltung käme. Es würde da-
mit, aber nicht znm Schaden der Verti-
kalen, die Horizontale mehr hervorgehoben
und das Ganze sich feiner in die Archi-
tektur eiugliedern.

Der dekoraliveti itnb ornamentalen Be-
malung tritt zur Seile die figürliche
Bemalung der Flächen. Die Kirche bietet
große Flächen zu dieser Bemalung, die
znm Teil noch der kommenden Künstler
harren. Für jetzt schmücken das Langhaus
die 14 Stationen, nach dem Vorbild in
der Stuttgarter Marienkirche, von dem
Benroner Schüler, jetzt Meister Sehnltis
meisterhaft durchgeführl. Es will uns
scheinen, als ob in der Spaiehinger Kirche
dieser herrliche Kreuzweg noch bedeutend
schöner sich präsentiert als in Stuttgart.
Tie Umrahmung ist möglichst einfach ge-
halten und erhöht den Eindruck der ans
schwarzem Grund sich abhebenden Lerdens-
szenen. Den Leidensweg eröffnet irr einer
kleineren gemalten Nische Johannes der
Tünser, der auf das Gotteslamm hin-
weist , das der Well Sünden trägt (wie
auf dern großen Grünewaldschen Krenzi-
gurigsbilo irr Colmar). Derr Beschluß
macht ihm gegenüber St. Helena. Beeister
Schnitts hat auch in die Arkaden über
den Seitenaltären eine Reihe vorr Heiligen
gernall, welche aus dem Goldgrrrnd der
Gemeinde als Vorbilder entgegenleuchten.
Die großen Bogenfelder des Qnerschiffs
und vier ggvße Wandflächen im Chor sehen
einer späteren Benralnng mit historischen
Monumentalgemälden entgegen, ebenso
erwarten die l2 Apostel, daß sie an den
Seiterifchiffrvärrden verherrlicht werderr in
einer Kirche, die den Apostelsürsten ge-
weiht ist.

Die Spaiehinger Stadlpfarrkirche ist so
aus einer kahlen, leeren Halle zii einem
schön geschmückten Raum geworden, der
mit der Zeit noch herrlicher werden wird.
Wir als Altertümler verniissen freilich
jegliche Erinnerung an ben früheren Ban
und dessen Ausstattung. Ciil Barockaltar
aus der alten Kirche würde im Qnerschiff
sich bem Ganzen zum mindesten ebensogut
eingefügt haben, ja wir glauben, noch
besser als die beibeit streng gotischen Neben-

altäre. Im nahen Billingen hat man sich
nicht gescheut, in der alten Basilika die
Abschlnßwand der Seitenschiffe mit sehr
reichen Barockaltären zu schmücken. Wir
konnnen damit aus das alte Klagelied
zurück, daß man bei so vielen Neubauten
und Erneuerungen auch gar alles Alte
funditus exstirpieit und weggeschafft hat,
und wir möchten aufs neue betonen und
darauf hinwirken, daß doch bei irgend-
welchen Neubauten alles, was vom Alten
irgendwie brauchbar ist, wieder verwendet
! werde. Wir sahen bei einem Händler die ge-
samte Barockeinrichtnng einerSchwarzwald-
kirche mit großem, reichem und originellem
Hochaltar, der annoch zu haben ist, und
; zierlichen Nebenaltären, die inzwischen ein
Pfarrherr gekauft, aber nicht verwendet
; hat. Der gotische Neubau machte diese
Einrichtung überflüssig — es sollte und
mußte gar alles gotisch werden, also hinaus
mit dem Gerümpel um einen Spottpreis!
Nun, es wurde wenigstens nicht vandalisch
zerschlagen und verbrannt, wie die Altäre
anderer Kirchen.

Znm Lobe der beiden Kirchenmaler in
Spaichingen haben wir noch anznfügen,
daß ihre Ornamentik eine eigenartig
originale ist, daß dieselben sehr fleißig
und billig (7000 M. für die große, reich-
geschmückte Kirche) gearbeitet haben. Die
Nebenränme der Orgelempore wie die
Sakristeidecke erhielten ebenfalls eine sehr
ansprechende Bemalung. Jnr ganzen ist
also das Werk wohlgelnngen und lohnt
die Opferwilligkeit der Stifter wie den
unermüdlichen Erser des Pfarrherrn, des
Herrn Dekans Msgr. Michael Mnnz. Ihm
zu Ehren sollten die großen Wandflächen
des Turmes, die der Stadt zngewandt
sind, die Bilder des heiligen Erzengels
Michael und des hl. Christophorns in
Kolossalgröße schmücken, entsprechend dem
frommen Gebrauch früherer Zeit, als
Schützer und Patrone im Lebensstreit.

Da wir in Spaichingen uns befinden,

! möge es dem Leser belieben, vollends
hinaufzusteigen auf des Henbergs Höhen.
Dort ragt über waldiger Schlrrcht fast
am Rande ein aller Satteldnchtnrm empor,
fast gewaltig und trutzig vor bem allen
Kirchlein, dessen Chor in seinem Unter-
geschoß sich befindet. Es ist die alte
! Pfarrkirche von Bubsheim. Dieselbe
 
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