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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 5
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Schöninger, Artur: Wanderungen durch neue und erneuerte Kirchen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0059
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50

int Chor gemalt, die aber der Bericht-
erstatter noch nicht gesehen hat und des-
halb nicht beurteilen kann.

Alles, in dieser schönen Kirche ist neu
und nichts erinnert an frühere Zeiten.
(Sin seinerzeit viel gerühmter Cibotiums-
hochaltar trauert, nachdenr er keine fünf
Lnstren gestanden, in der Pfarrschener
und wartet, ob er nicht eine Auferstehung
in einer andern Kirche feiern darf. Das
alte Inventar mürbe fast insgesamt ver-
schleudert und verkauft, uub obwohl wir
es nur teilweise und stückweise gesehen,
glauben wir, daß ntanches Stück davon
auch int netten Golteshatts hätte aus-
gestellt tverden können. Nur int Hinter-
grund ist unseres Erinnerns eine alte Pieta
geblieben.

Auch ans bem Verenaberg zu Hund er-
singen ist alles neu: Ban, Bemalung,
Inventar. Es soll dies kein Tadel sein,
beim Meister Loosen hat in altbewährter
Manier die Kirche bemalt, die Altäre
sind hervorragende Leistungen von Schnell
und die Kanzel eilt prächtiges Stück von
Müller in Saulgan. Von den drei zu-
letzt beschriebenen Martinskirchen ist sie
die großartigste und beherrscht in im-
ponierender Weise das Donaulal bei
Herbertingen. Wer aber von der alten
Henneburg her zu der uralten Siedlung
zieht, der wird mit Schmerzen die alten
Erinnerungen verntissen und mit gentisch-
ten Gefühlen den neuen Dont betreten.

Vott beit Höhen zieht es uns zur Tiefe.
In eine nicht gerade reizlose, aber doch
etwas einförmige Gegend führe ich den
Wanderer. Umsomehr darf er sich freuen,
jetzt wieder einmal nach zwei Basiliken
eine bescheidene Dorfkirche zu sehen, die,
schlicht an eine Berghalde gelehnt, keine
großen Prätensionen macht, aber unsetes
Erachtens das Beste und Gediegenste ent-
hält an innerer Ausstattung, was im
ersten Dezennium des 20. Jahrhunderts
in Nachahmung alter Kunst geschaffen
wurde, und die in dieser Beziehung der
neuen katholischen Garnisonskirche in Ulm
Konkurrenz macht, ja in manchen Stücken
letztere übertrifft. Sie hat denselben
Patron, den Ritter St. Jürgen, dieweil
sie einst dem Benediktinerkloster St. Geor-
gen im Schwarzwald (nachher in Vil-
lingen) zugehörte. Es ist die Pfarr-

kirche St. Georg zit I n g o l d i n g e n,
OA. Waldsee. Auch sie hat Meister
Cades int Jahr 1899 gebaut resp. nm-
gebaut. Ein neuer Chor nach Art der
vielen alten gotischen Landchörlein wurde
angebaitt, das schlichte, einschiffige Lang-
haus verlängert, int Aenßern die Ein-
förmigkeit der Längsentwicklitug durch
einen qnerschiffartigen Sakristeianbau
unterbrochen und so eine genügend große
Dorfkirche geschaffen, über die der alte
Satteldachturm an der Nordseite empor-
ragt. Es ist alles sehr einfach gehalten.
Umsontehr ist man überrascht beim Be-
tretet! des Innern. Es ist schwer, alles,
was hier geleistet ist, zu beschreiben, eben-
so tvie es beim ersten Anblick für das
Auge schwer ist, einen Ruhepunkt zu
finden. Insofern mag man in der Ueber-
sülle einen Tadel finden. Und doch ist
alles so reizvoll, daß man nichts missen
möchte.

Wir schreiten zum Hochaltar, der auch
zuerst (1899) im neuerstellten Chor er-
richtet wurde. Der entferntere Eindruck
hat durch die Bemalung eingebüßt, das
Werk an sich ist aber noch charakteristisch
genug, so daß wir vieles zu bewundern
haben an eigenartiger Durchbildung mit
strengstem Anschluß an mittelalterliche
Vorbilder. Da ist der eittfache gemauerte
Stipes, verdeckt durch ein gesticktes Anli-
pendinm — der jahrhundertelange Ge-
brauch bei Altarbanten. Darauf erhebt
sich über Leuchterbank und Predella der
mittelalterliche Altarschrein mit zwei Ab-
teilungen, die durch den Tabernakelbau
getrennt sind. Der letztere findet sich be-
kanntlich bei gotischen Altären des Mittel-
alters selten. Die Gebrüder Mezger in
Ueberlingen, die Meister der ganzen
Innenausstattung, haben sich aber derart
in mittelalterliche Muster und Formen-
sprache eingeschafft, daß es ihnen ein
leichtes war, einen herrlichen thronus
in den Kasten hineinzukomponieren, der
durch reiche Vergoldung dominierend her-
vortritt und doch den Altar nicht zerreißt.
Der Ausbau sowohl des Tabernakels,
als des Altarschreins, als der Bekrönung
ist glücklicher gelöst als beim Hochaltar
der Gatnisonskirche in Ulm. Allerdings
mußte wegen des Ranmntangels ans
Flügeltüren Verzicht geleistet werden, aber
 
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