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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 6
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Baur, Ludwig: Der Einfluß des Orients auf die Ausbildung der christlichen Kunst des Abendlandes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0063

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54

aufgeworfen, teils in sehr verschiedenem
Si^in und auf verschiedener Grundlage
behandelt. Alan behandelte den Komplex
der hier einschlägigen Fragen unter beut
Begriff der „b y z a n t i n i s ch e n Fra ge",
die seit d'Aginconrt lind Nnntohr
in Fluß gekommen tvar. Eine gründliche
Untersuchung lieferte der russische Archäo-
loge Kondakoffsi, der insbesondere
die byzantinische Aliniatnrenmalerei be-
handelte. Bayet wertete die byzailtinische
Kunst, deren Architektur und Skulptur er
erforschte, als den Höhepunkt der altchrist-
lichen Kunst. — Sehr eingehetrd befaßte
sich A. Springers mit der Sache. Er
präzisierte feilte Anschaultng dahin, daß
die Kunst des gesantten christlichen Alter-
tums bis zum 6. bezw. 7. Jahrhntldert
eine bei allen lokalen Nuancen einheitliche
sei, lvie sich ans denr Vantypns uub den
Diptychen erkennen lasse. Wer während
dieser Periode der gebende, wer der emp-
fangende Teil gewesen, könne dabei frag-
lich erscheinen. Erst ltach Jnstinian sei
die Scheiönng gekoiltmen^). Jit der neueren
Literatur sind es insbesondere die Anf-
fassnngen von Wick ho fs (mit Perate uub
Janitschek) und Kraus, welche eilte be-
stimnttere Stellltngltahme in dieser Frage
crkenltelt ließet!. Wickhofs läßt die byzan-
liltischeKnnst desMittelalters ans lateinische
Vorbilder des 5. Jahrhunderts znrückgehen,
und so wahrscheinlich ltichts anderes sein
als ein Ueberbleibsel von der Masse nr-
christlicher Kontpositionen, die sich in den
Stüdteli des Orients, in Alexandrien,
Antiochien und endlich in Byzanz im 4. und
5. Jahrhundert gebildet hatten* 2 * 4). — Int
übrigen legt sich Wickhofs in seiner Wiener-
Genesis beit Gang so zurecht, daß in N o tn
ans die Zeit des alexandrinischen Einflllsses
im 1. Jahrhundert eilte selbständige Kunst
voit nationalem Gepräge im 2. Jahrhundert
entstanden sei, die als römische Reichskunst
auch den Orient beeinflußte. Daranfhill

p Histoire de Part byzantin ed. frang. trad.
d. M. T r awinski. 2 vols. Paris 1886 — 1891.

2j Die byzantinische Kunst im Abendlande.
Bonn 1886.

8) Vgl. dazu Frz. 36. Kraus, Christliche
Kunstgeschichte I, 543 f.

4) Frz. 36. Kraus leitet die altchristliche Kunst
hauptsächlich von Alexandrien ab, von wo aus
das römische Kunstschaffen hauptsächlich befruchtet
worden sei.

seien in den Kulturzentren des Orients,
in Alexatldrien, Antiochien, Byzanz
eigene Knnstrichtltitgen entstanden. Ein
völliger Umschlynng in der bisherigen
Venrteilltng der Sachlage trat ein, als
Joseph S t r z y g o w s k i in nn-
gewöhnlich zahlreichen Schriften und
kleuteren Abhandlungen ch für die These
eintrat: „llicht Rom, sondern der Orient
ist die Heimat ltitb das Ursprungsland
der christlichen Kunst". — Es darf nicht
wnndernehinen, daß Rout so stark in
der knnsthistorischen Auffassung präpon-
derierte: Rom die ewige, ist die einzige
altchristliche Großstadt, in welcher das
Christentnln lebetldig geblieben uitb die
als christliches Palladium geweiht war.
Von den übrigen Zentren frühchristlichen
Lebens ist auch nicht eines von der ara-
bischen Verwüstung verschont geblieben,
und der lnohantlnedanische Fanatisnlns
lnachte gründliche Arbeit: Schutt und
Asche decktet! seitdetn die Stätten, an
welchen christliche Kultur einst geblüht,
christliche Knust in reichster Fülle zu fin-
den getvesen war. — Jil Nordmestafrika
ruhten Karthago, Tipasa, Telepte n. a.
unter dein Sande — Aegyptens Heilig-
tüiner lvaren nicht tnehr gekannt, Palä-
stina, Syrien, die kleinasiatischen Pro-
vinzen waren so gut wie vergesien. —
Schon diese Tatsache allein läßt a priori
erkennen, daß unsere bisherige knnstge-
schichtliche Darstellung ans einem über-
aus lückenhaften Material anfgebant war
und darum notwendig einseitig, ja un-
richtig werden tnnßte. Run tauchen in-
folge der allenthalben und von verschie-
denen Seiten unternolntnenen Nach-
forschungen die Reste dieser entinenten
christlichen Kulturzentren wieder ans denr
Grabe etnpor. Und nun stellt sich das Bild
der altchristlichen Knnstübnng und Knnstent-
lvicklung tu einen! völlig neuen und anders-
gearteten Lichte dar: Ex Oriente lux!

') Die wichtigsten der einschlägigen Abhand-
lungen sind: Jos. Strzygowski, Orient

oder Rom. Leipzig 1901; Ders., Hellenistische
und koptische Kunst in Alexandreia 1902; Ders.,
Der kleinasiatische Kirchenbau bis auf Jnstinian
in seiner Stellung zwischen Orient, Hellas und
No in 1902; Ders., Kleinasien ein Neuland der
Kunstgeschichte; Ders., Der Dom zu Aachen; Ders.,
Die Miniaturen des serbischen Psalters der Kgl.
Hof- und Staatsbibliothek in München. Wien 1906.
 
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