Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

DOI Heft:
Nr. 6
DOI Artikel:
Naegele, Anton: Die letzten Helfensteiner und das alte Ave-Mariakirchlein im "Täle", [1]: Beiträge zur Kunst- und Kirchengeschichte des oberen Filstals aus dem vatikanischen Archiv
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
58

grüßenden Heiliglluu darf unsere Wall-
fahrt gelten, etwa um, wie einst die
alten Helfensteiner Grafen itnb Graf-
schastslente, ein Ex voto für Rettung
ans allerlei Reisefährlichkeiteu nach glück-
licher Heimkehr aus Welschlaud auf-
znhängeu; die Chronik der Kirche, das
vatikanische Dokument uub erhaltene
Botivtafelu bezeugen solche Miracnla.
Das ,,Uer para tutum" in jenem wun-
dervollen Hymnus Ave Maris Stella hat
auch nach Aufzeichnungen in dem Itinera-
rium Italieum EereArini Suevi zwei-
mal in ernsten Gefahren für Leib und
Leben am Lago Averuo itnb mit Felsen-
ftraub auf Capri seine Erhöruug ge-
funden — ’IoaOLv ol moioi, ©0 ver-
lockend es auch wäre, diese hervor-
ragende Schöpfung des Barocks aus dein
Anfang des 18. Jahrhunderts Z in ihrem
anmutigen imponierenden Anßenbau und
in ihrer stattlicheren Innenausstattung
zu besichtigen und zu beschreiben. Der
frühere Wallfahrtskaplan Hugo Reh er
hat in seinem verdienstlichen „Wallfahrts-
büchlein für Ave Maria bei Deggingen
im Filstal" 2. Auflage, Hageumaier,
Deggingen 1907 in der Einleitung eine
ansprechende Beschreibung vorausgeschickt,
und Pfarrer Wunder in Mühlhausen
hat das Bauwerk in feinen Artikeln im
„Archiv für christliche Kunst"* 2): „Ge-
schichte der kirchlichen Kunst im oberen
Filstal" besonders mit Rücksicht auf die
Architektilr gewürdigt, ohne jedoch bei
Nennung des Hanptschmucks der Kirche,
der Fresken von Joseph Wannen-
macher von Tomerdingen aus dem
Jahre 1754, der Untersuchungen Rudolf
Wesersch über diesen Meister zit ge-
denken. Unsere Wallfahrt gilt indes
dem weit älteren, v er sch iv unde ne n
M arte n k i r ch lein des Mittel-
alters.

2) Erbaut in den Jahren 1716—1718 unter
dem Degginger Pfarrer Johannes Zimmermauu
aus Mühlhausen (1710—1721) ans Stiftungs-
mitteln (10 000 ft.), wahrscheinlich durch den gleichen
Baumeister der 1709 vollendeten Pfarrkirche.

2) 26 (1908), über Ave Maria, S. 53 f.
s) Archiv für christl. Kunst 25 (1907) Nr. 7
bis 12, über Ave Maria S. 102 ff.; Nachträge
27 (1909) S. 64 ff. Frühere Beschreibung in
Blättern des Schiväb. Albvereins6 (1894), S. 157
mit Abbildungen.

Au so vielen Orten unseres Heimat-
landes hat die in Stiftern, Klöstern,
Fürsten- intb Bischofsresioenzeu erwachte
Baulust im Barockzeitalter manch alt-
ehrwürdiges Golteshails verdrängt oder
umgestaltet, nicht immer im wohlver-
standenen künstlerischen oder religiösen
Interesse. So mußte nach drei- oder vier-
hltndertjährigem Bestand auch die in alten
Urkunden schon bezeugte Kapelle zu nuferer
lieben Frau, Ave Maria genannt, einem
größeren Ball zu Beginn des 18. Jahr-
hunderts weichen; kein Stein, kein Wappen,
Epitaph oder Inschrift verrät dem Besucher
von heute das weit höhere Alter des ersten
Bails. Aehnlich erging es einer anderen
Stiftung der Helfensteiner, der 1466 er-
bauten Kirche des 861 gegründeten
B e u e d i k t i u e r k l o st e r s in Wieseusteig,
wo 1719 die jetzige Stiftskirche znm
hl. Cyriak an Stelle der 1648 größtenteils
von den Schweden niedergebrannteu Kirche
geballt wurde uub neuerdings Reste der
alten romanischen Krypta gefunden
wurden I. Nur ein Denkmal scheint die
jetzige Degginger Wallfahrtskirche aus dein
Mittelalter überuoulineu zil haben, das den
Hochaltar2), einen Rokokoban ganz origi-
neller Art, schmückt; es ist ein Ma d o u u eu-
bild, das fein vergoldet, wie das „Saal-
bllch" schreibt, itnb schon etliche hundert
Jahre mirakulos sei. Eine nähere Unter-
suchung dieses nirgends beschriebenen,
selbst von Neher nur im Vmbeigeheu
erwähnten Guadeubilds nach Ursprung,
Material, Stil und Umarbeitung im
Laufe der Jahrhunderte dürfte kompe-
tenteren Kreisen wohl anempfohlen werden.
Hoffen wir, daß eine solche einst Nehers
Urteil bestätigt: „Ohne Zweifel reicht
in diese Zeit (der Gründung im 15 Jahr-
hundert) zurück auch das schöne Gnadeu-
bilo der Mnttergottes mit ihrenl gött-
lichen Kinde"3). Vermutungsweise stammt
aus ihr der merkwürdige fünfarnlige
Kronleuchter, dessen Anne fünf eine
Lichtschale im Maul halteilde Drachen

xj Ein Turm vom alten Bau, der südliche der
beiden Türme, trägt »ach der Oberamtsbeschreibuug
(1842) S. 268 die Jahreszahl 1466.

2) Zwei Seitenaltäre wurden 1750 aufgestellt,
deren Bilder wohl aus dem alten Kirchlein stammen,
vgl. Neher S. 14 f.

3) Wallfahrtsbüchlein, S. 4.
 
Annotationen