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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 8
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Baur, Ludwig: Neue kirchliche Arbeiten in Edelmetall
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0093

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84

Rechten, von den zwölf Aposteln um-
geben ist.

Ein zweites Ciborium gehört nach
Cannstatt. Der reiche Steinschmuck am
Fnß, das Elfenbein, woraus der Schaft
gebildet ist (übersponnen von Geldein-
fassnngeu), und das hübsche Email-
band am Deckel verleihen ihm ein
eigenartiges Gepräge und zarte Farben-
reize.

4. Von den drei Monstranzen, die
wir von Meister Ballmann hier abbilden,
ist die erste mit der Elfenbeinfignr schon
dreimal allsgeführt worden.

Beide Monstranzen stimmen in den
Grundzügeu überein: beide gehören dein
Typus der Sonnenmonstranzen an; bei
beiden steigt ans bem reich mit Steinen
besetzten Fnß ein Elsenbeinfnß empor,
der in ein kreisrundes Kapital ausmündet,
auf welchem eine Figur steht — bei der
einen eine Elsenbeinstatue, bei der andern
ein vergoldeter Engel, der scheinbar das
Ostensorinnl trägt. Diese letztere Lösung
ist unseres Erachtens feiner und glück-
licher als die vorige, bei welcher die
Figur ohne Verbindung bleibt mit bem
Ostensorium, das ohne sichtbare Vermitt-
lung mit dem Fuß einfach hinter der Figur
aufragt.

Die dritte Monstranz — nach Ellwangeil
bestinlmt — zeigt das Grnndmotiv eines
Bildstöckchens, das von einem Strahlen-
kranz umgeben ist, Diese Idee ist au sich
liicht übel.

Was beit Referenten an dem Entwurf
sehr unsympathisch berührt, ist die fast
geflissentlich betonte Stilmischung: auf
einen hochnlodernen Fuß folgt der Schaft
iil der Form einer ganz rein durch-
geführten kannellierten jonischen Säille;
das Bildstöckchen ist nach Art des Rahmens
einer byzantinischen Lipsanothek aufgefaßt,
ilmgeben aber voll zwei Barocksüulen,
darüber ein Achitrav mit Motiven ans
der frühromanischen Portalplastik. Die
Madonneustalue ist Beuroner Stil; der
auf der Weltkugel steheilde Christus mit
der Fahne scheint an die oulrierten und
exzentrischen Stücke von Joseph Mendes
de Costa anzuklingen. Wozu die Material-
nlischung! Das ist etwas viel! Roch
ein Wort über die theologische Idee,

die in deir Figuren zunr Ausdruck
komint: unten am Fnß hat der Künstler
mit Glück die Evangelistensymbole ait-
gebracht, die anbetenden Engel sind
verständlich; Maria gehört zürn eucha-
ristischen Geheimnis. Nicht so ganz ver-
ständlich erscheint mir die Figur des anf-
erstandeueil (oder zunl Hinunel arrs-
fahrenden?) Christus oben. Der euchn-
ristische Gedankenkreis berührt sich mit
dem Jdeerrkreis des Trinitätsdogmas,
der Inkarnation (und damit der Mario-
logie) sowie des Herz-Jesu-Kultns. Der
Künstler, der einen Entwurf zu einer
Monstranz zu machen hat, wird gut tun,
mit dem plastischen Schmuck innerhalb
dieser Jdeenkreise zu bleiben und dadurch
die reichen nnb tiefeil Gedankenbeziehungen
anszunützen, die darin niedergelegt sind:
ein kirchliches Kunstwerk soll ja nicht
nur eine formal-künstlerische, sondern
auch eine gedankliche Einheit auf-
weisen.

5. Ein Kelch für beit hochwürdigsten
Herrn Bischof von Rottenburg hat — wieder
an die romanische Golbschmiedknnst an-
klingend — (ohne eigentlichen Schaft)
einen Rodus aus Elfenbein, während der
Fuß mit Koralleil besetzt ist. — Der
andere zeigt reiche Edelsteine, der Sockel
ist mit spätgotischen Molireu gearbeitet,
ebenso wie der durchbrochene Rodus. —
Harmonischer in den Verhältnissen ist
der dritte Kelch, den Meister Ballmann
für die Stiftskirche in Ellwangen
ganz in Silber mit echten Steinen und
Elfeubeiil ausgeführt hatte. Hier ist es
gerade der elfenbeinerne Schaft und
Rodus, der dilrch seine einfachen, aber
überaus ansprechenden hübschen Ver-
zierungsmotive die ganze Arbeit wirksam
hervorhebt.

Ich möchte wünschen, daß der begabte
Künstler auf bem Wege solcher Material-
mischuug und überladener Protzerei mit
Edelsteinen, Gemmen nsf. nicht iveiter
schreite, sondern daß er mit Maß, Ge-
schick und gutem Geschmack die neuzeit-
lichen Bestrebnngeil auf metallurgischem
Gebiete in den Dienst der kirchlichen Kunst
zu zieheu sich benlühe, ohne so weit zu
gehen, daß das Dekorative zum Selbst-
zweck würde. (Fortsetzung folgt.)

Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".
 
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